
Millionen Euro aus China für Projekte, über die die Öffentlichkeit keine weiteren Informationen erhält. Kooperationen mit Chinas Hauptlieferant für Militärjets. Kostenlose Chinesisch-Lehrer – im Gegenzug für Selbstzensur? Deutsche Universitäten und Forschungseinrichtungen unterhalten Hunderte fragwürdiger Kooperationen mit chinesischen Partnern.
VON DAVID MISSAL
In den vergangenen Jahren habe ich versucht, diese Kooperationen transparenter zu machen. Einfach war das nicht. Denn deutsche Forschungseinrichtungen sind alles andere als kooperativ. Klar ist schon jetzt: Bei Kooperationen mit China gibt es zwei Hauptrisikogebiete. Erstens: Kooperationen in der Chinaforschung – oftmals fließt hier Geld von China an Unis oder Individuen. Zweitens: Kooperationen im Technologiebereich – mit Partnern in China, die äußerst problematisch sind.
Mangelnde Transparenz
Obwohl sich zumindest Universitäten seit 2020 selbst vorgenommen haben, transparenter zu sein, ist die Realität immer noch eine andere: In zwei großangelegten Anfragen von mir antwortete nur eine Minderheit der Universitäten und Forschungsinstitutionen hinsichtlich ihrer Kooperationen mit China. Als ich Anfang dieses Jahres 55 deutsche Hochschulen und Forschungseinrichtungen nach ihrer Zusammenarbeit mit China fragte, antworteten nur drei dieser Institutionen mit substanziellen Informationen. Ein ähnliches Bild zeigte sich bei einer früheren Anfrage-Aktion unter 100 Universitäten. Damals antworteten nur rund 20 Unis, und darunter vor allem die, die keine oder nur minimale Kooperationen mit China hatten.
Konfuzius-Institute & Geld aus China
Das prominenteste Beispiel von Zusammenarbeit zwischen deutschen Unis und China sind Konfuzius-Institute (siehe Brennpunkt 02/2020 und 01/2022). Problematisch sind Konfuzius-Institute, weil sie sich als wissenschaftlich unabhängige Institute darstellen – mit der Universität im Namen. Tatsächlich sparen sie aber weitestgehend Kritik am Parteistaat aus, in manchen Fällen verbreiten sie gar chinesische Propaganda. Immer wieder kommt es zu Fällen, in denen die chinesische Seite in das Programm der Konfuzius-Institute eingreift. Im Jahr 2014 richtete das Konfuzius-Institut Hamburg etwa eine Veranstaltung zum Tian’anmen-Massaker aus, wenig später wurde der chinesische Ko-Direktor des Instituts zurück nach China beordert. Im vergangenen Jahr wurde eine Buchvorlesung über Xi Jinping nach Druck aus China abgesagt.
Wohl auch wegen solcher Vorfälle überdenken einige Universitäten die Kooperationen. Die Unis Hamburg und Düsseldorf haben ihre Zusammenarbeit 2020 beendet, die Uni Trier hat „entschieden, die Aktivitäten des Instituts bis auf Weiteres ruhen zu lassen“, nachdem China-Wissenschaftler des MERICS-Instituts durch China sanktioniert wurden. Der Vertrag der Uni Bonn mit dem lokalen Konfuzius- Institut lief 2021 aus, und es sollen keine neuen Aktivitäten stattfinden, da es beim Verhandeln eines Folgevertrags zu nicht näher benannten Schwierigkeiten gekommen sei.
Allerdings führt der Großteil der deutschen Universitäten die Kooperationen mit dem chinesischen Staat fort. Grund dafür könnten auch finanzielle Vorteile sein. An etlichen Unis gibt es entweder direkt Geld oder Personal aus China oder indirekt durch das jeweilige Konfuzius-Institut. Die Freie Universität Berlin erhält rund eine halbe Million Euro für eine Chinesisch-Professur aus Peking und mindestens einen kostenfreien Chinesisch-Lektor sowie kostenlose Bücher. Ein ähnliches Arrangement gab es in Göttingen. An mindestens 11 deutschen Universitäten gab oder gibt es kostenloses Personal oder Geld vom chinesischen Staat. Oftmals sparen die Hochschulen mehrere Zehntausend Euro pro Jahr durch solche Drittmittel. Chinesisch- Unterricht ist an vielen Unis nur möglich, weil die Kommunistische Partei Chinas bezahlt. So entsteht ein Druckmittel, welches zu Selbstzensur seitens der Universitäten und Professoren führen kann.
In vielen Fällen ist nicht einmal transparent, woher Geld aus China stammt – und an welche Konditionen es geknüpft ist. Was klar ist: Unter den 100 größten deutschen Universitäten erhielten mindestens 46 Zuwendungen aus China. Einige Beispiele: Die RWTH Aachen erhielt seit 2018 mindestens 3,2 Millionen Euro aus China, die Technische Universität Berlin bekam seit 2015 mehr als eine Million Euro, die Uni Stuttgart erhielt seit 2016 mehr als 3,6 Millionen Euro. Welche Projekte oder Drittmittelgeber hinter den Zahlungen stehen, ist oftmals nicht bekannt.
Hochrisiko-Kooperation
Neben den Geisteswissenschaften sind besonders die Naturwissenschaften ein Hochrisiko-Feld. Chinesische Partner sind aufgrund ihrer Nähe zum Militär oftmals problematisch – deutsche Forschungseinrichtungen kooperieren trotzdem mit ihnen. Das ergibt meine jüngste Recherche für den Academic Engagement Tracker des Central European Institute of Asian Studies. In diesem habe ich die chinesischen Kooperationspartner deutscher Unis mit dem ASPI China Defense University Tracker abgeglichen. Der Tracker sortiert chinesische Staatsunternehmen und Universitäten aufgrund ihrer Verbindung zum chinesischen Militär in unterschiedliche Risikogruppen ein. China verfolgt die explizite Strategie „militärisch-ziviler Fusion“, alle Einrichtungen – inklusive Universitäten – könnten also potenziell dem chinesischen Militär zuarbeiten.
Unter 784 deutsch-chinesischen Kooperationen sind 90 Fälle, in denen der ASPI-Tracker die chinesische Institution als „High Risk“ einstuft, in 127 Fällen wird der chinesische Partner sogar als „Very High Risk“ bezeichnet. Nur 6 der 55 untersuchten deutschen Forschungseinrichtungen hatten keine bekannten problematischen chinesischen Partner.
Die Details der Kooperationen sind weitestgehend nichtbekannt, allerdings findet Kooperation in strategisch relevanten Bereichen statt: Die Top-Kooperationsfelder mit „High Risk“- und „Very High Risk“-Partnern sind Informatik, Wirtschaftswissenschaften, Aerodynamik, Medizin, Strömungsmechanik, Chemie, Physik, Mathematik, Maschinenbau und Materialwissenschaften.
Deutsche Forschungseinrichtungen kooperieren nicht nur mit chinesischen Universitäten, sondern auch mit problematischen chinesischen Firmen. So arbeiteten mindestens 15 deutsche Einrichtungen mit Huawei zusammen – einer Firma, die stark in technologische Unterdrückung in China involviert ist. Neben den Kooperationen mit Huawei sind deutsche Forschungseinrichtungen auch mit chinesischen Staatsbetrieben verbandelt, die dem Militär nahestehen. So kooperierte das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt etwa mit verschiedenen Instituten der Aviation Industry Corporation of China. Diese ist laut dem ASPI-Tracker „Chinas Hauptlieferant für Militärflugzeuge“.
Auch akzeptieren deutsche Unis und Forschungsinstitute chinesische Doktoranden und Postdocs, die komplett vom chinesischen Parteistaat finanziert werden – und nach ihrem Studium nach China zurückkehren müssen. Das Risiko ist hoch, dass es hierdurch zu ungewolltem Technologietransfer nach China kommt. Mindestens 10 Einrichtungen unter den 55 untersuchten Forschungsinstitutionen stellten aus China geförderte Doktoranden an und mindestens 11 akzeptierten Postdocs.
Endlich handeln!
Die zahlreichen Risiken, die mit deutsch-chinesischer Wissenschaftskooperation einhergehen, müssen endlich adressiert werden: Transparenz muss gesetzlich festgeschrieben werden. Finanzielle Anreize seitens staatlicher, deutscher Seite sollten chinesisches Sponsoring unattraktiv machen. Chinesische Kooperationspartner müssen von einer zentralen Stelle durchleuchtet werden. Forscher sollten – intensiver als bisher – ihre chinesischen Partner einer Risikoanalyse unterziehen. Fehlverhalten muss strafrechtlich verfolgt und transparent gemacht werden. Mit einem solchen Werkzeugkasten kann verantwortungsvolle Kooperation mit China möglich sein, Bundes- und Landesregierungen müssen hier endlich handeln.
Last modified: 10. November 2022