Die Tibeterin Youngkyar Dolma war Teil des Theaterensembles vom tibetischen Stück “Pah-Lak”. Mit selbstgeschriebenen Büchern, Blogeinträgen und Videos zelebriert sie die tibetische Kultur. Dabei motiviert sie ihre persönliche Familiengeschichte im Einsatz für Tibet im Exil.
VON YOUNGKYAR DOLMA
Ich heiße Youngkyar Dolma und bin 12 Jahre alt. Aktuell spiele ich die Rolle „Pema“ in dem Theaterstück „Pah-Lak“, mit dem wir gerade durch Deutschland touren. Ich bin das erste Mal im Ausland, und Deutschland gefällt mir sehr gut. Es ist, wie ich es mir vorgestellt habe, sehr sauber, grün und ordentlich. Besonders überrascht bin ich von all den Tibet-Unterstützern. Das verschafft mir ein gutes Gefühl und Sicherheit. Trotzdem vermisse ich Indien sehr, vor allem meine Mama und meine Freunde. Für dieses Projekt bin ich zwei Monate von der Schule freigestellt worden. Trotzdem muss ich auch hier auf Reisen lernen. Wenn ich zurückkomme, habe ich Prüfungen, die ich unbedingt bestehen will. Meine Mitschüler wissen so ungefähr, was ich hier mache, und beneiden mich darum.
Mein Lieblingsfach ist Tibetisch, meine Muttersprache. Es fällt mir leicht und macht viel Spaß. Ich merke aber, dass viele junge Tibeter nicht so viel Freude daran haben. Deswegen versuche ich, mich aktiv für den Erhalt unserer Sprache einzusetzen. Wir müssen unsere Sprache unbedingt schützen, weil China unsere Kultur und Identität zu zerstören versucht. Ich denke, dem können wir uns am einfachsten widersetzen, indem wir Tibetisch sprechen. Im Lockdown habe ich meine Freizeit zu Hause genutzt und gemeinsam mit einem gleichaltrigen Freund ein Buch geschrieben: „Guthuk“. Dies wurde nun publiziert, und ich arbeite bereits an einem zweiten. Wir sollten mehr Bücher in tibetischer Sprache veröffentlichen, denn damit haben wir die Chance, der Welt unsere Kultur näherzubringen. Und wie cool wäre es, wenn eines Tages ein tibetisches Buch einen Literaturpreis gewinnen würde! Jeden Mittwoch veröffentliche ich auf Facebook kurze Essays und Gedichte auf Tibetisch. Es macht mir Spaß, diese zu schreiben. Oft ist dabei mein Vater eine Inspiration für mich, mein Held. Leider hatte er nie die Möglichkeit, einen Schulabschluss zu machen oder gar eine höhere Bildung zu genießen. Aber er tut alles dafür, dass es unserer Familie gutgeht und er möglichst viel Zeit mit uns verbringen kann. Mit ihm gemeinsam dieses Projekt „Pah-Lak“ erleben zu dürfen, ist etwas ganz Besonderes.
Meine Schauspielkarriere hat eigentlich mit dem Bollywood-Film „Boot Police“ begonnen. Ich war damals mit neun Jahren schon sehr selbstbewusst und habe bei der Audition einen Witz erzählt. Danach habe ich noch in einem tibetischen Film von Lhakpa Tsering, dem Regisseur von „Pah-Lak“, mitgespielt. Zu Beginn hatte ich große Angst vor der Rolle und auch bei der Vorstellung, so lange von zu Hause weg zu sein. Aber das ganze Team hat mich sehr unterstützt. Zum Beispiel musste ich bei den Proben weinen: Denn ein Teil meiner Familie lebt noch in Tibet. Ich musste oft an meinen Onkel denken, der vor zwei Jahren verhaftet worden war, weil er dabei geholfen hatte, ein Buch vom Dalai Lama in Tibet zu veröffentlichen. Nach seiner Freilassung stand er unter Hausarrest und wurde immer überwacht. Wir haben daher keinen Kontakt mit ihm. Ich glaube, deswegen kann ich mich so gut in das Stück hineinversetzen und diese Hilflosigkeit nachvollziehen. Wir wissen, dass unsere Familie dafür Schwierigkeiten bekommen kann, dass wir Tibets Geschichte auf den Theaterbühnen erzählen. Aber ich weiß auch, dass sie sich genauso wünschen, dass wir unsere Freiheit dafür nutzen, Tibet eine Stimme zu geben. Ich möchte mich sehr bei allen bedanken, die uns dabei unterstützen. Vor allem bei Menschen wie Harry und Abhishek, die sich stark für Tibet einsetzen und Wege finden, Tibet eine Stimme zu geben, obwohl es nicht ihr Heimatland ist. Wir Tibeter brauchen diese Hilfe immer noch, und ich hoffe, dass wir damit irgendwann unsere Heimat wieder zurückgewinnen können. Free Tibet!
Last modified: 23. August 2023