Auf dem Parteitag der Kommunistischen Partei demonstrierte Xi Jinping erneut seine Macht. Unbeantwortet blieb sein Handeln aber nicht – es gab auch Widerstand: Auf der Straße und im Saal.
VON DAVID MISSAL
Er bewegt sich nicht vom Fleck – will die Bühne des Parteitages in der Großen Halle des Volkes in Peking nicht verlassen, so scheint es. Erst nachdem Xi Jinpings Helfer minutenlang auf ihn eingeredet haben, fügt er sich schließlich seinem Schicksal: Ex-Parteichef Hu Jintao verlässt das Podium, eskortiert vom persönlichen Assistenten Xis und einem Bodyguard. Es ist wohl diese Szene, die weltweit vom 20. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas in Erinnerung bleibt.
Die Bilder von Hu Jintao, der abgeführt wird, stehen für viele symbolisch für die Politik von Parteichef Xi Jinping. Auch wenn bis heute nicht klar ist, warum Hu gehen musste, das Bild ist klar: Xi Jinping entscheidet, alle anderen haben zu gehorchen. Selbst für den Vorgänger des jetzigen Parteichefs gilt das.
Auf dem Parteitag der Kommunistischen Partei Ende Oktober festigte Xi Jinping seine Macht – kein Parteichef nach Mao Zedong war wohl so mächtig wie er. Als erster Parteichef seit Deng Xiaoping muss er nach zwei Amtszeiten nicht abtreten – 2018 wurde dafür der Weg geebnet, als die Amtszeitbegrenzung für Xis Rolle als Staatsvorsitzender aufgehoben wurde. Somit konnte er auf dem 20. Parteikongress erneut als Parteichef gewählt werden und wird ab März wohl auch seine Rolle als Staatsvorsitzender fortführen.
Seine Macht zementierte Xi Jinping auf dem 20. Parteitag weiter, indem er die Partei-Verfassung ändern ließ: Ab sofort ist Xi Jinping offiziell der „Kern der Kommunistischen Partei Chinas“, außerdem sollen die „Xi-Jinping-Gedanken“ eine „führende Rolle“ spielen. Die Macht Xis zeigt sich auch im neuen Ständigen Ausschuss des Politbüros. Dies ist das mächtigste Gremium der Kommunistischen Partei Chinas und besteht momentan aus sieben Personen. Waren im vergangenen Ausschuss noch Mitglieder anderer Partei-Fraktionen vertreten, so sind jetzt nur noch Xi-Vertraute und -Unterstützer in dem Gremium.
Xis Macht scheint also größer denn je – zumindest parteiintern. Aber es gab auch Widerstand gegen den chinesischen Diktator: Auf der Straße, nur drei Tage vor Beginn des 20. Parteitages, fand ein einsamer Protest statt, der bis heute nachwirkt. Auf der Sitong-Brücke im Nordwesten Pekings enthüllte ein Mann mehrere Banner und entzündete ein Feuer. Auf den Spruchbändern stand unter anderem: „Wir wollen keine Kulturrevolution, wir wollen Reformen. Wir wollen keinen Führer, wir wollen Wahlen. Wir wollen keine Sklaven sein, sondern Bürger.“ Videos und Fotos von dem Protest wurden schnell zensiert. Trotzdem verschwanden die Slogans des einsamen Protestlers nicht: Bei den wenige Wochen später aufflammenden Corona-Protesten nutzten die Demonstranten die Worte des Sitong-Mannes.
Warum Ex-Präsident Hu Jintao zum Abtritt von der Bühne gedrängt wurde, ist bis heute nicht bekannt. Eine offizielle Begründung lieferte die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua wenige Stunden nach seinem Verschwinden: „Als er sich während der Sitzung nicht wohl fühlte, begleiteten ihn seine Mitarbeiter zu seiner Gesundheit in einen Raum neben dem Sitzungsort, um sich auszuruhen“, hieß es. Hu sollte für insgesamt sechs Wochen verschwunden bleiben. Erst Anfang Dezember tauchte er wieder auf – bei einer Trauerzeremonie für den soeben verstorbenen Ex-Parteichef Jiang Zemin.
Last modified: 18. Januar 2024