Sabine Schlößler ist seit vielen Jahren Mitglied der Tibet Initiative. Sie erzählt, warum sie sich für Tibet engagiert.
Ich bin Mitglied, weil ich will, dass die Menschen in Tibet nicht weiter kontrolliert, unterdrückt und drangsaliert werden.
„Du solltest das mal erleben – es ist ein Traum – der Himmel ist viel näher als anderswo, die Luft klar, die Landschaft schroff, aber voller Farben, die Menschen freundlich und warmherzig.“ So etwa empfiehl mir Ende der Achtziger ein älterer Herr, einmal nach Tibet zu reisen.
Im Jahr 2006 war es dann soweit, ich flog mit einer alten Freundin nach Tibet. Wir entdeckten eine bezaubernde Welt der Sinneseindrücke: Lhasa mit den Wacholderfeuern am Barkhor, mit den sich niederwerfenden Pilgern rund um den Jokhang-Tempel, der riesige Potala, in dem man förmlich spürte, dass der wichtigste Bewohner fehlt, die Klosterinnenräume voller Butterlampen, die tiefen Stimmen der Mönche, ihre Blasinstrumente, Trommeln und Becken, die vergoldeten Gazellen links und rechts vom Dharma-Rad und die Farbenbracht der Gebetsfähnchen.
Ich vermisste nur die Altstadt mit ihren verwinkelten, dunklen Gassen, von denen ich in Deutschland gehört hatte. Schockiert musste ich feststellen: Die Altstadt gab es überhaupt nicht mehr – sie war ersetzt worden durch einen riesigen spiegelblanken Platz, daneben unzählige Neubauten mit Neonreklame und chinesischen Aufschriften, Elektronikshops, breite asphaltierte Straßen mit großen Ampelanlagen. Ich hatte den Eindruck von Respektlosigkeit, Auslöschung, Intoleranz. Es war solch ein Gegensatz, dass ich mir nicht vorstellen konnte, dass junge Tibeter diese cleane, austauschbare Welt bevorzugen würden.
Zurück in Deutschland begriff ich erst das ganze Ausmaß der Unterdrückung. Es machte mich wütend und traurig im Wechsel, ich konnte meine Eindrücke nicht mehr ignorieren. Zugleich interessierte ich mich zunehmend für die buddhistische Lebensphilosophie: kein Zorn, keine moralisierenden Drohungen – stattdessen ein Lächeln, Güte und Geduld! Das faszinierte mich wie eine Lebensaufgabe.
Ende 2017 arbeitete ich einen Monat freiwillig in einem buddhistischen Kloster in Kathmandu. An der Stupa in Bouddhanat holte mich die imperialistische Wahrheit erneut ein: In einem Hinterzimmer wurden einzelne Seiten aus uralten tibetischen Klosterbüchern an Touristen verscherbelt – mir kamen die Tränen. Ich hörte mehr über Selbstverbrennungen blutjunger Tibeter aufgrund ihrer Verzweiflung über die Umweltzerstörungen. Mehr Klöster in Tibet wurden angegriffen. Oft sah man Flüchtlinge aus dem Norden, obwohl Nepal sich verpflichtet hatte, sie nicht mehr aufzunehmen.
Als Mitglied der Tibet Initiative möchte ich dazu beitragen, dass die Tibeter ihre Sprache und Kultur, ihre Bescheidenheit, Friedfertigkeit und Güte, die uns so viel geben können, nicht verlieren.
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Last modified: 28. Juli 2022