
Tenzin Yarphel, geboren als Flüchtling in Ladakh, ist einer von 150.000 Tibetern in der Diaspora. Sein Weg führte ihn von einer Kindheit im Exil bis zum Masterstudium in Deutschland – geprägt von Herausforderungen, aber auch von der unerschütterlichen Entschlossenheit, Tibet sichtbar zu machen.
VON TENZIN YARPHEL
Ich bin Tenzin Yarphel, einer von ca. 150.000 Tibetern in der Diaspora. Ich wurde als Flüchtling in Ladakh, Indien, geboren. Geprägt hat mich die Fürsorge der tibetischen Gemeinschaft unter dem großen Wohlwollen Seiner Heiligkeit des 14. Dalai Lama und die Schule im Tibetan Children‘s Village (TCV). Ich gehöre zur ersten Generation meiner Familie, die eine moderne Schulausbildung erhalten hat, und konnte durch ihre Unterstützung den Bachelor-Abschluss in Maschinenbau in Südindien machen, zu der Zeit als einziger Tibeter. Schon damals hat mich erschüttert, wie wenig die Leute über Tibet oder die Tibeter wussten. Erst als ich unser geistiges Oberhaupt, Seine Heiligkeit den Dalai Lama, erwähnte, begannen sie zu verstehen. In diesem Moment wurde mir mehr als je zuvor klar, dass er nicht nur unser geistiges Oberhaupt ist, sondern vielmehr die Essenz unserer Identität darstellt.
„Diese Erfahrungen haben mir die unverblümte Wahrheit vor Augen geführt, dass ich ein tibetischer Flüchtling bin: Ich habe nicht die Privilegien, die Menschen mit anerkannter Staatsangehörigkeit genießen“
Mein Traum war es, nach meinem Abschluss den Master in einem englischsprachigen Land wie den USA oder Kanada zu machen. Aus finanziellen Gründen habe ich mich dann jedoch für Deutschland entschieden, ein Land mit überschaubaren Studiengebühren und gutem Renommee für globalen Automobil- und Maschinenbau. Glücklicherweise erhielt ich eine bedingte Zulassung an der Universität Duisburg- Essen, wo ich jetzt meinen Master in ISE Mechanical Engineering mache. Ich schaffte in acht Monaten das B2-Niveau in Deutsch, um mein Studium beginnen zu können. Die Freude und der Stolz meiner Familie, als ich meinen Zulassungsbescheid erhielt, waren riesig. Mit ihrem Segen und all ihren Ersparnissen unterstützten sie meine Reise nach Deutschland und das Studium – eine Chance, die sie nie hatten.

Als Tibeter ist es eine große Herausforderung, ohne anerkannte Staatsangehörigkeit zu leben. Die indische Regierung stellt den tibetischen Exilanten anstelle eines Reisepasses ein Identitätszertifikat (IC) aus. Obwohl Exiltibeter damit über gültige Reisedokumente und auch Visa verfügen, sind viele Beamte der Einwanderungsbehörden und das Personal der Fluggesellschaften mit dem IC nicht vertraut, was zu stundenlangen Befragungen und Wartezeiten führt. Diese Erfahrungen haben mir die unverblümte Wahrheit vor Augen geführt, dass ich ein tibetischer Flüchtling bin: Ich habe nicht die Privilegien, die Menschen mit anerkannter Staatsangehörigkeit genießen. Der Kampf hat mich jedoch in meiner Entschlossenheit gestärkt.
Als ich vor zwei Jahren in Deutschland einreiste, kam ich an der Universität erstmals mit Studenten aus aller Welt in Kontakt. Ich gebe mein Bestes, sie für Tibet zu sensibilisieren und ihnen die bittere Wahrheit zu sagen, warum ich nie in mein Land zurückkehren kann, obwohl ich Tibeter bin. Und die Frage „Wann haben Sie Ihr Land zuletzt besucht?“ ist wirklich schwer zu beantworten. Aber es stärkt meine Entschlossenheit, mich gegen die Ungerechtigkeit zu wehren, die meinem Volk angetan wird. Neben meiner Ausbildung widme ich mich dem Kampf gegen Ungerechtigkeit und schließe mich laufenden Kampagnen vor allem zum Thema Tibet an. Es ist ein Privileg und enormer Segen, Seine Heiligkeit den Dalai Lama als unser Oberhaupt zu haben. Ich bin dankbar, dass Organisationen und Gruppen auf der ganzen Welt uns im Kampf für Wahrheit und Gerechtigkeit zur Seite stehen. Ihr Mut fordert mich heraus, mein Bestes zu geben, auf der Seite des Guten zu kämpfen und an die Wahrheit zu glauben
Last modified: 18. März 2025