Nicole König wurde in Indien geboren, seit einigen Jahren engagiert sie sich in Deutschland für Tibet. Über ein Leben zwischen den Kulturen und der Suche nach der eigenen Identität.
VON NICOLE KÖNIG
Mein Name ist Nicole König, ich bin in Neu-Delhi, Indien, geboren und kam mit 14 Jahren nach Deutschland. Zurzeit studiere ich in Berlin und arbeite seit zwei Jahren immer wieder bei der Tibet Initiative Deutschland. Damit begann meine Reise in die Tibet-Bewegung.
Ich komme aus einer gemischten Familie: Mein Vater ist Deutscher und meine Mutter Tibeterin. Von klein auf, so erzählen es meine Eltern, fühlte ich mich mehr mit meiner tibetischen Seite verbunden als mit der deutschen, sehnte mich danach, mehr über meine tibetische Herkunft zu erfahren, habe Fragen zur Geschichte, Kultur und zur Freiheitsbewegung gestellt. Vielleicht, weil ich den größten Teil meiner Kindheit in Indien verbracht habe. Meine Familie mütterlicherseits wohnt in Sikkim, wohin ich jeden Sommer zu Besuch fuhr.
Durch die Arbeit meines Vaters zogen wir oft um, lebten in verschiedenen Ländern Asiens, in Teilen des Nahen Ostens und sogar in Nordafrika. Für mich als junges Mädchen war das ebenso aufregend wie herausfordernd, musste ich mich doch jedes Mal neu einleben und neue Freunde finden.
So wurde ich aufgeschlossen, anpassungsfähig, wissbegierig und kontaktfreudig. All das gibt mir aber oft auch das Gefühl, nicht dazuzugehören. Mit Migrationshintergrund in Deutschland zu leben, ist schon schwer. Aufgrund meines deutschen Namens muss ich dazu immer wieder meinen tibetischen Hintergrund erklären und habe leider das Gefühl, dass die Verurteilung einiger Menschen in der heutigen Gesellschaft alles überschattet.
Inzwischen gibt es mehr und mehr Halbtibeter*innen wie mich in Deutschland, und für sie ist es oft besonders schwierig, den Anschluss an die tibetische Gemeinschaft zu finden. Jüngere Tibeter*innen, die im Westen geboren sind, entdecken ihr tibetisches Erbe unterschiedlich: So nutzen Musiker wie MC Rebel englischsprachige Raps, um ihrer tibetischen Herkunft Ausdruck zu verleihen.
Einige engagieren sich politisch bei den jährlichen „Lobby for Tibet“-Versammlungen. Um mehr über ihren Hintergrund zu erfahren, tibetische Einrichtungen zu besuchen und die tibetische Sprache zu lernen, reisen einige nach Dharamsala. Auch ich trage meinen Teil dazu bei, für die Freiheit Tibets zu kämpfen, indem ich mich für die Lage interessiere und für Tibet einsetze.
Manchmal wird in der tibetischen Gemeinschaft über dieses Engagement hinwegsehen. Ich bin dagegen der Meinung: allen Menschen mit tibetischem Ursprung hat die KPCh die Heimat gestohlen. Wir sollten gemeinsam und gewaltlos dafür kämpfen, die Welt auf die dramatische Lage in Tibet aufmerksam zu machen, um unsere Identität zu retten. Diskussionen rund um die traditionelle tibetische Herkunft sollten uns nicht weiter blockieren oder gar trennen.
Last modified: 15. August 2024