Im Dezember wurde bekannt, dass die Freie Universität (FU) Berlin eine Professur aus China finanzieren lässt. David Missal, Ex-Alumni der FU und Kenner der chinesischen Politik, fürchtet um die wissenschaftliche Unabhängigkeit seiner Alma Mater. In einem offenen Brief fordert er, die Position anders zu finanzieren – oder zu streichen. Uns hat er erzählt, warum.

Im Herbst haben wir mit unserer Film-Tour über chinesische Einflussnahme auch an deutschen Universitäten durch die Konfuzius-Institute (KI) informiert. Unterstellt sind diese Einrichtungen dem chinesischen Kulturorgan ‚Hanban‘, welches selbst wiederum dem Zentralen Propaganda-Department der Kommunistischen Partei Chinas unterstellt ist. Das erste KI in Deutschland eröffnete 2006 an der FU Berlin.
Durch einen Artikel im Berliner Tagesspiegel wurde im Dezember bekannt, dass Hanban an der FU seit Oktober 2019 auch die Professur von Andreas Guder finanziert, dem designierten neuen Direktor am Berliner KI. Eine Einflussnahme Pekings schließt die FU dem Artikel zufolge aus – das sieht David Missal anders.
David, was hat dich bewogen, diese Initiative zu starten?
Ich habe bis 2017 an der Freien Universität Berlin Chinastudien studiert – und kurz vor Weihnachten einen Schock bekommen: Der Tagesspiegel berichtete, dass die FU sich nun auch eine Professur aus China sponsern lässt. Meine Ex-Universität begibt sich auf einen Weg, den bislang nur die Uni in Göttingen gewählt hat: Sie nimmt Geld von der Kommunistischen Partei (KP) Chinas an.
Mit einer solchen Finanzierung ist nicht mehr klar, wer die Inhalte in den Seminaren bestimmt: Die Professoren oder aber die KP. Solche Situationen kenne ich aus China – und möchte sie in Deutschland nicht. Andere FU-Absolventen haben meine Bedenken geteilt und den Brief ebenfalls unterschrieben.

David Missal ist Journalist und „ausgewiesener“ China-Experte – im wahrsten Sinne des Wortes: Im August 2018 musste er das Land verlassen, weil er dort im Rahmen seines Studiums zu Menschenrechtsanwälten recherchierte.
Bis Juni 2019 lebte er in Hongkong und hat die dortigen Massenproteste hautnah miterlebt. Auf Twitter (@DavidJRMissal) schildert er regemäßig Eindrücke und Hintergründe zur Lage in Hongkong und in China.
Welche Ziele verfolgt ihr mit der Aktion?
Zunächst soll die Uni oder aber auch das Land Berlin für Transparenz sorgen. Momentan wissen wir quasi nichts. Offizielle Informationen vom Land Berlin oder der FU gibt es – meines Wissens nach – nicht.
Alles was wir wissen, geht auf den Bericht des Tagesspiegels zurück: Daraus geht hervor, dass es die KP-Finanzierung seit Oktober 2019 gibt. Wie sie zustande gekommen ist oder welche Maßnahmen chinesische Einflussnahme verhindern könnten, darüber ist nichts bekannt. Ich gehe davon aus, dass es auch gar nicht möglich wäre, zumindest unterschwellige Einflussnahme auszuschließen: Ein Professor, der Geld aus Peking bekommt, wird wohl kaum seinen Financier kritisieren.
Deshalb fordern wir eine alternative Finanzierung der Professur. Ist das nicht möglich, muss die Stelle gestrichen werden.
Wie können andere euch unterstützen?
Wenn ihr FU-Alumni seid: Unterzeichnet bitte unseren offenen Brief! Andernfalls teilt den Brief gerne mit Freunden, die an der FU studiert haben. Wir wenden uns in dem Schreiben an Berliner Entscheidungsträger, um für ein Umdenken zu sorgen. Die Kommunistische Partei Chinas darf keine deutschen Professoren bezahlen!
Der offene Brief im Wortlaut
Der offene Brief richtet sich an die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Anja Karliczek, den Regierenden Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, den Staatssekretär für Wissenschaft und Forschung, Steffen Krach, den Präsidenten der Freien Universität Berlin, Prof. Dr. Günter M. Ziegler sowie den Dekan des Fachbereichs Geschichts- und Kulturwissenschaften der Freien Universität Berlin, Prof. Dr. Oliver Janz.
Sehr geehrte Frau Bundesministerin,
sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister,
sehr geehrter Herr Staatssekretär,
sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrter Herr Professor,
wir – als Alumni der Freien Universität Berlin – machen uns große Sorgen um die wissenschaftliche Unabhängigkeit unserer Alma Mater. Seit Oktober 2019 finanziert die Kommunistische Partei Chinas (KPC) eine Professur am Ostasiatischen Seminar. [1] Dieser Zustand ist für uns unhaltbar, da ein Einfluss der KPC auf die Lehrinhalte nicht ausgeschlossen werden kann.
Wie der Tagesspiegel berichtet, finanziert die chinesische Regierungsbehörde „Hanban“ eine Professur an der FU Berlin, die einen Lehramtsstudiengang Chinesisch aufbauen soll. In einer Antwort auf eine kleine Anfrage zum Thema Konfuzius-Institute in Deutschland schreibt die Bundesregierung zum „Hanban“:
„‚Hanban‘ ist die chinesische Abkürzung für das ‚Staatliche Führungsgruppenbüro für die internationale Verbreitung der chinesischen Sprache‘. Das ‚Hanban‘ ist dem Zentralen Propaganda-Department der Kommunistischen Partei Chinas unterstellt.“ [2]
Weiter heißt es in eben dieser Antwort:
„Der Bundesregierung ist bekannt, dass der chinesische Staat bzw. die Kommunistische Partei Chinas Einfluss auf Veranstaltungen, Lehrinhalte und -materialien an Konfuzius-Instituten in Deutschland nimmt. Dies erschließt sich bereits aus der engen organisatorischen und finanziellen Anbindung der Institute an staatliche chinesische Institutionen, namentlich an die der Zentralen Propagandaabteilung der Kommunistischen Partei Chinas unterstellte Kulturorganisation ‚Hanban‘.“ [3]
Diese enge „organisatorische und finanzielle Anbindung“ sehen wir auch im Zuge der neu geschaffenen Professur. Wie der Tagesspiegel weiter berichtet, soll der Lehrstuhl-Inhaber zugleich auch neuer Direktor am Berliner Konfuzius-Institut werden.
Im Zuge einer Finanzierung deutscher Professuren durch die Kommunistische Partei – wie im vorliegenden Fall – kann nicht ausgeschlossen werden, dass die KPC direkt oder indirekt Einfluss auf Unterrichtsinhalte nimmt. Die Bundesregierung schreibt in einer anderen Antwort auf eine kleine Anfrage dazu:
„Der Bundesregierung liegen Erkenntnisse vor, wonach chinesische Behörden versuchen, […] deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die zu China forschen, in ihrem Handeln zu beeinflussen.“ [4]
Konkret könnte dies im vorliegenden Falle beispielsweise bedeuten, dass im Sprachunterricht keine Texte gelesen werden, welche die Kommunistische Partei kritisch beleuchten. Ferner besteht neben direkter Einflussnahme durch den „Hanban“ ein hohes Risiko von Selbstzensur aufgrund der Abhängigkeit der Professur von Finanzmitteln aus China.
Auch sehen wir im vorliegenden Fall einen Präzedenzfall für Berliner Universitäten. Im aktuellen Fall geht es „nur“ um die Finanzierung einer Professur mit dem Schwerpunkt Chinesische Sprache – in Zukunft könnte dies den Weg ebnen, mit KPC-Mitteln auch Professuren zu finanzieren, die einen politischen Schwerpunkt haben.
Solch eine Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit ist für uns als Alumni der Freien Universität Berlin unhaltbar.
Aus diesem Grunde fordern wir:
1. eine umfassende Offenlegung der Vertragsinhalte zwischen dem „Hanban“ und der Freien Universität Berlin bzw. dem Land Berlin hinsichtlich der neu geschaffenen Professur,
2. eine Erläuterung, wie es zu dieser Vertragsbeziehung gekommen ist: insbesondere dazu, welche Gremien und Einzelpersonen diese Beziehung angebahnt sowie dieser Finanzierung durch den „Hanban“ zugestimmt haben,
3. eine Klarstellung, welche konkreten Maßnahmen geplant sind, um einen möglichen direkten oder indirekten Einfluss des „Hanbans“ und somit der Kommunistischen Partei auf Unterrichtsinhalte auszuschließen sowie
4. eine sofortige Beendigung des Vertrages mit dem „Hanban“ hinsichtlich der neu geschaffenen Professur und daraus folgend eine alternative Finanzierung der Professur oder aber eine Streichung dieser.
Als Alumni der Freien Universität Berlin erbitten wir in dieser Sache eine schriftliche Rückmeldung. Sofern gewünscht, stehen wir auch für ein persönliches Gespräch zu der Thematik zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
David Missal, B.A. Chinastudien/Ostasienwissenschaften, 2017
Dr. Andreas Fulda, Doktor der Philosophie, 2007
Jose Miguel Waltereit, B.A. Chinastudien/Ostasienwissenschaften, 2016
Linda Hewitt, B.A. Geschichte und Kultur des Vorderen Orients mit dem Schwerpunktbereich Arabistik, 2009
[1] Vgl. Feldwisch-Drentrup, H. (22.12.2019). Erste deutsche Unis überdenken umstrittene Konfuzius-Institute. Der Tagesspiegel. Abgerufen am 23.12.2019 unter https://www.tagesspiegel.de/wissen/eine-art-ideen-waesche-erste-deutsche-unis-ueberdenken-umstrittene-konfuzius-institute/25360796.html. [2] Bundesregierung (27.11.2019). Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Jens Brandenburg (Rhein-Neckar), Katja Suding, Mario Brandenburg (Südpfalz), weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der FDP – Drucksache 19/15009 – Aktivitäten chinesischer Konfuzius-Institute an deutschen Hochschulen (Drucksache 19/15560). Abgerufen am 23.12.2019 unter http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/155/1915560.pdf. S. 1.
[3] Bundesregierung (27.11.2019). S. 4.[4] Bundesregierung (22.07.2019). Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Kai Gehring, Margarete Bause, Jürgen Trittin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 19/11403 – Wissenschaftsfreiheit als Grundlage der akademischen Zusammenarbeit mit China (Drucksache 19/11839). Abgerufen am 23.12.2019 unter http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/118/1911839.pdf. S. 6.Last modified: 26. August 2021