Konfuzius-Institute in Deutschland geraten zunehmend in Kritik, da sie Menschenrechtsverletzungen in China und Themen wie die Tibet-Frage weitestgehend ausklammern. Dies geschieht aufgrund der engen finanziellen Bindung zur Kommunistischen Partei Chinas – die Wissenschaftsfreiheit auf deutschem Boden scheint bedroht. Konfuzius-Institute wehren sich gegen diese Behauptung. Deshalb hat die Tibet Initiative alle Konfuzius-Institute kontaktiert mit dem Vorschlag: Macht doch mal was zu Tibet!

Fragen zur kulturellen Zerstörung in Tibet scheinen, wenn überhaupt, nur oberflächlich angekratzt zu werden.
Knallharte Propaganda der Kommunistischen Partei musste sich beispielsweise unsere Regionalgruppe München 2015 von einem chinesischen Tibetologen am Konfuzius-Institut anhören, der ihnen erklärte, wie Tibet etwa von der „Sklaverei“ befreit worden sei.
Die jüngste Welle an Kritik veranlasste einige Direktor*innen der Konfuzius-Institute dazu, sich gegen die Propaganda-Vorwürfe zu verteidigen. Direktorin Dr. Xu-Lackner aus Nürnberg, betonte in einer Pressekonferenz, dass die Freiheit von Forschung und Lehre an Konfuzius-Instituten garantiert sei. Dass diese auch kritische Themen wie Tibet, Taiwan, Ostturkestan behandelten, belegte sie damit, dass es bei einem Filmfestival am Institut in Nürnberg eine Filmvorführung zu Tibet gab. Das war 2016.
Aus Berlin und Duisburg meldeten sich Dr. Leutner und Dr. Herberer zu Wort. Bei einem einseitig besetzen Fachgespräch der Linksfraktion betonten sie, wie aufgeschlossen ihre Konfuzius-Institute seien, dass diese das gesamte Bild Chinas „über Sprache und Tai Chi hinaus“ vermittelten und als „Dialogs- und Austauschforum“ verstanden werden müssten.

Wie offen die Institute für einen echten Austausch sind, wollten wir direkt wissen und haben alle Konfuzius-Institute, die in Deutschland an eine Universität angegliedert sind, angeschrieben. Unser Vorschlag war, eine gemeinsame Veranstaltung zum Thema Bildungspolitik zu organisieren. Dabei könnten die Tibet Initiative und das jeweilige Konfuzius-Institut Podiumsgäste stellen, welche darüber diskutierten, inwiefern die chinesische Bildungspolitik in Tibet dazu beiträgt, tibetische Kultur zu fördern oder zu gefährden.
Auf unser Anschreiben meldete sich der Großteil der Konfuzius-Institute nicht zurück. Nur ein einziges Konfuzius-Institut äußerste Interesse, auf unser vorgeschlagenes Konzept gab es aber bisher noch keine Rückmeldung.
Die anderen Rückmeldungen waren ernüchternd. „Leider kenne ich mich mit der Situation in Tibet nicht besonders gut aus“ und „[l]eider haben wir keinen Fachexperten, um sich sachdienlich zu den von Ihnen geplanten Fragestellungen zu äußern“, hieß es zum Beispiel aus Bonn und Hannover.
Aus Stralsund erreichte uns die Nachricht, dass man das gegenseitige Verständnis fördern wolle. Allerdings las sich aus der Antwort auch heraus, dass man wenig Vertrauen in die Neutralität der Tibet Initiative hat und uns nicht zutraut, auf wissenschaftlichem Niveau zu debattieren: „Religion und Ideologie sind für uns nur dann von Interesse, wenn Fachleute auf einem wissenschaftlichen Fundament diskutieren. Aus diesem Grund haben wir keinerlei Interesse, an eindeutig ideologisch geprägten politischen Info- bzw. Diskussionsabenden teilzunehmen.“
Dass sowohl unter den Gründungsmitgliedern der Tibet Initiative als auch im Vorstand, im Beirat und in der Mitgliedschaft Wissenschaftler*innen vertreten sind, welche die kulturelle Zerstörung in Tibet akademisch einschätzen können, wussten die Kolleg*innen in Stralsund allem Anschein nach nicht.
In Nürnberg und Berlin haben wir aufgrund der jüngsten öffentlichen Äußerungen nochmal nachgehakt. Von Dr. Leutner haben wir auch nach zwei Versuchen keine Antwort erhalten. In Nürnberg lehnte man eine Zusammenarbeit ab aufgrund des negativen Bildes, welches man auf unserer Webseite von Konfuzius-Instituten erhalte. Es wurde auf den Artikel „Wieviel Ideologie steckt in den Konfuzius-Instituten?“ verwiesen den übrigens ein Sinologe geschrieben hat.
Das Konfuzius-Institut in Duisburg bat uns in seiner Antwort um konkretere Informationen darüber, wie wir uns die vorgeschlagene Veranstaltung vorstellen würden.
Wir haben klar kommuniziert: Wir wollen mit dem Konfuzius-Institut einen akademischen Austausch führen, um so ein differenziertes, unzensiertes Bild über die Lage in Tibet zu vermitteln.
Dazu haben wir folgende Fragen vorgeschlagen, die sich auf das Thema „Bildungspolitik in Tibet“[1] fokussieren:
- Erörtern Sie, inwiefern die momentane Bildungspolitik in Tibet (damit sind das Tibetische Autonome Gebiet sowie die tibetischen autonomen Präfekturen gemeint) Möglichkeiten zur Förderung und dem Erhalt der tibetischen Identität anbietet.
- Bei der „Bilingualen Erziehung“ wird Chinesisch immer häufiger zum Hauptmedium im Unterricht genutzt. Was sind Ihrer Meinung nach Lösungsansätze, um die tibetische Sprache im Bildungsbereich stärker zu fördern und den Schüler*innen gleichzeitig faire Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu bieten? Wie ist der Fall Tashi Wangchuks hier zu bewerten?
- Inwiefern haben Tibeter*innen Mitspracherecht bei der Gestaltung ihrer Bildungspolitik?
- Sowohl im 17-Punkte-Abkommen als auch in der chinesischen Verfassung werden den Tibeter*innen kulturelle Rechte eingeräumt – hält die momentane Bildungspolitik diese Versprechen ein oder handelt die chinesische Regierung mit zunehmender Assimilierung im Bildungsbereich rechtswidrig?
- Erklären Sie anhand des Beispiels von Religionsunterricht an staatlichen Schulen in Tibet wie chinesische Staatsdoktrin das traditionelle Verständnis des tibetischen Buddhismus lehrt. Werden dabei auch die Bedeutung des Dalai Lama und des entführten Panchen Lama für Tibeter*innen angesprochen?
- Ist es angemessen, die chinesische Regierung im Hinblick auf die Bildungspolitik in Tibet eines „kulturellen Genozids“ zu beschuldigen? Bitte begründen Sie Ihre Antwort.
In Duisburg hatte man allerdings Angst, dass unsere Veranstaltung auf eine Art „pro und contra China Schlagabtausch“ hinauslaufen würde und dass wir dabei die Absicht hegten, die Konfuzius-Institute als Sprachrohr der chinesischen Regierung zu entlarven.
Indirekt also wieder der Vorwurf, dass wir an keiner wissenschaftlichen Diskussion interessiert seien.
Die Konfuzius-Institute entschuldigen ihre Passivität im kritischen Austausch rund ums Thema Tibet oft damit, dass sie ja nur „Kultur- und Sprachinstitute“ seien. Vortragsreihen zur „Neuen Seidenstraße“ zum Beispiel bieten einige jedoch an. Die Ausrede, die Institute seien komplett unpolitisch, zieht also nicht.
Noch weniger, wenn man bedenkt, dass die chinesische Führung mit den Konfuzius-Instituten explizit den „Aufbau einer sozialistischen Kultur“ durch ideologisch trainiertes Lehrpersonal fördern will.
Liebe Konfuzius-Institute, unser Angebot zur Zusammenarbeit steht weiterhin: Wenn Interesse an einer gemeinsamen Podiumsdiskussion zur kritischen Beleuchtung der Menschenrechtslage in Tibet besteht, besprechen wir das gerne. Oder wie wäre es mit einem Vortrag über den Dalai Lama?
[1] Dieses Thema war lediglich ein erster Vorschlag von uns. Wir haben in unserer Korrespondenz mit Konfuzius-Instituten verdeutlicht, dass der Schwerpunkt auch vom Thema Bildungspolitik abweichen könne, solange das Thema Tibet kritisch behandelt würde.
Last modified: 26. August 2021