Was sind Konfuzius-Institute? An dieser Frage scheiden sich die Geister. Den einen sind sie bloße Mittel zur Verbreitung der großartigen und friedlichen chinesischen Kultur, „eine chinesische Institution des internationalen kulturellen Austauschs“, wie sie Michael Kahn-Ackermann, der ehemalige Leiter des Goethe-Instituts in China und Berater des Hauptquartiers der Konfuzius-Institute in Peking, sieht; den anderen außenpolitische Propagandainstrumente eines totalitären Regimes, ein Soft-Power-Instrument der kommunistischen Diktatur Chinas. Eines sind sie sicher nicht: Institutionen zur Verbreitung der humanistischen Ideen des Konfuzius, Chinas großem Moralphilosophen und Pädagogen aus dem 5. Jhdt. v. Chr.
Dass die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) 2004 die Institute zur Verbreitung der chinesischen Kultur und Sprache mit dem Namen von Konfuzius benannt hat, zeugt davon, dass ihre eigene kommunistische Ideologie international zur Einflussnahme wenig hergibt. Mit der Namensgebung hat sie die chinesische Geschichte für die Zwecke aktueller Politik gekapert: die KPCh als Erbe und Repräsentant von über 2000 Jahren chinesischer Geschichte. Vergessen ist, und das wird auch an den Konfuzius-Instituten nicht thematisiert, dass die KPCh, allen voran Mao Zedong, dessen Konterfei noch immer über dem Platz des Himmlischen Friedens thront, ein fanatischer Antikonfuzianer war.
Zu seinen Lebzeiten etwa wurde der Konfuzius-Tempel in Qufu, dem Heimatort von Konfuzius, von Rotgardisten zerstört, während der jetzige Parteichef und Staatspräsident auf Lebenszeit Xi Jinping keine Gelegenheit auslässt, ein passendes Konfuzius-Zitat zu präsentieren. In der chinesischen Verfassung sind aber nach wie vor der Marxismus-Leninismus, die Mao-Zedong-Ideen und die Xi-Jinping-Ideen festgeschrieben, nicht der Konfuzianismus. Die KPCh ist nach wie vor eine leninistische Partei, die ein globalisiertes, kapitalistisches China anführt und die unter der Führung Xi Jinpings danach trachtet, die USA als dominierende ökonomische, technologische und militärische Weltmacht bis Mitte dieses Jahrhunderts abzulösen.
Soft Power
Um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es nicht nur der Hard Power, also militärischer, politischer und ökonomischer Stärke, sondern auch der Soft Power, einer politischen Strategie, die den sprachlichen und kulturellen Reichtum eines Landes nutzt, um international im Sinne seiner nationalen Politik und staatlichen Autorität zu wirken.
Im Falle der VR China geht es darum, mit der Soft Power einem negativen China-Bild im Ausland entgegenzuwirken, die Erfolge des chinesischen Entwicklungsmodells positiv darzustellen und auch politische Desinformation zu betreiben. Die politische und ökonomische Macht soll eingesetzt werden, um Chinas Bild in der Welt zu beeinflussen. Seit 2007 bedient sich die KPCh offiziell des Begriffs Soft Power. Die chinesische Außenpropaganda hat beträchtlich zugenommen, es wurde ein weltweites Mediennetz von Printmedien, Radio- und TV-Stationen aufgebaut, der globale Einfluss ausgebaut. So wurden während der Corona-Krise Tausende Twitter-Accounts benutzt, um die Kritik vor allem westlicher Staaten an der Verschleierung von Fakten über den Ausbruch der Corona-Krise und das wahre Ausmaß der Epidemie in China sowie an dem Gängeln von chinesischen Informanten zurückzuweisen.
Übertüncht wurde dies durch die Propaganda über die wohltätigen Leistungen der VR China für andere Länder und über den heroischen Kampf des chinesischen Volkes und seiner Regierung gegen das Virus. Dass Amerika und Europa über 30 Tonnen medizinischer Hilfsgüter, meist private Spenden, nach China lieferten, wird genauso verschwiegen wie die Tatsache, dass Taiwan, das von der VR China international isoliert wird und deswegen keinen Sitz in der WHO erhält, eine sehr gute, schnelle und effektive Eindämmung des Virus durchgeführt hat.
Insbesondere in Asien, im Mittleren Osten und in Afrika sind chinesische Medien wie die Xinhua-Nachrichtenagentur und der zentralchinesische Fernsehsender CCTV aktiv. Zur Soft Power gehören auch die Förderung von Übersetzungen, die Unterstützung von Verlagen sowie die Präsentation chinesischer klassischer wie moderner Kunst im Ausland etc.
“Im Falle der VR China geht es darum, mit der Soft Power einem
negativen China-Bild im Ausland entgegenzuwirken, die Erfolge des
chinesischen Entwicklungsmodells positiv darzustellen und auch
politische Desinformation zu betreiben.”
In diesem Rahmen sind auch die Konfuzius-Institute zu sehen: als Propaganda-Maschinen, die sich auf die Sprachvermittlung stützen und die immer stärkere Verbreitung des Chinesischen zu nutzen versuchen, vor allem bei jungen Menschen, um ein positives Bild von der VR China zu erzeugen. „Ich hoffe aufrichtig, dass die jungen Menschen Thailands (…) ihre Kenntnisse und ihr Verständnis von China verbessern können und so zu würdigen Verteidigern, Erben und Förderern dieser traditionellen Freundschaft werden.“ Diese Worte, die Xi Jinping im Dezember 2011 noch als Vizepremier während seines Besuches am Konfuzius-Institut der Chulalongkorn-Universität aussprach, bringen das dieser Institution zugewiesene Ziel perfekt zum Ausdruck.
Da China weltweit erstarkt, wird auch die chinesische Sprache immer wichtiger. Seit der Lancierung des chinesischen Bridge Project, eines Förder-programms der chinesischen Sprache durch das chinesische Bildungs-ministerium im Jahr 2002, hat sich die Verbreitung von Chinesisch weltweit, auch in Deutschland, exponentiell entwickelt. Nach Angaben des Ministeriums studieren heute weit über 100 Millionen Ausländer Chinesisch, verglichen mit 30 Millionen im Jahr 2006, dies zunehmend auch in Konfuzius-Instituten.
Seit der Gründung der ersten dieser Sprach- und Kulturinstitute 2004 in Seoul (Südkorea) und in Taschkent (Usbekistan) ist ihre Zahl auf allen Kontinenten rasch angewachsen. Heute gibt es 548 Institute in 154 Ländern, wobei sich die meisten in Europa (187) befinden, gefolgt von Amerika (150), Asien (126), Afrika (59) und Ozeanien (20). Das Land mit den meisten, nämlich 86 Konfuzius-Instituten sind die USA (Stand: 1. Mai 2020). Dies sind viel mehr als die Goethe-Institute (160 Zentren, 94 Länder), die Institute des British Council (rund 100 Länder), aber immer noch weniger als die der Alliance française (800 in 132 Ländern).
Eine beachtliche Entwicklung, wenn man überlegt, dass die VR China im Jahre 2000 noch über keine einzige Institution im Ausland verfügte. Außerdem gibt es weitere 1.113 Konfuzius-Klassenzimmer in 146 Ländern; diese sind in Schulen ansässig und werden vom Hanban (Kommission für die Verbreitung der chinesischen Sprache) finanziert. Und es gibt 5.665 sogenannte Teaching Points.
Organisation
Oft werden die Konfuzius-Institute mit den Goethe-Instituten oder der Alliance française verglichen. Die beiden letzteren sind aber vom Staat unabhängige Organisationen, die über Verträge mit dem Außenministerium entsprechende Sprach- und Kulturarbeit in anderen Ländern betreiben. Das Goethe-Institut in China zum Beispiel ist dabei eher nicht vergleichbar mit den Konfuzius-Instituten, weil es ohne Partner-Organisation unabhängig operiert. Das Goethe-Institut China hat heute fünf Niederlassungen: Peking, Shanghai, Guangzhou, Hongkong und Taibei. Es unterhält zudem sieben Goethe-Sprachlernzentren, Kooperationsprojekte mit lokalen Partnern, wie dies auch bei der Alliance française der Fall ist.
Das Gegenstück zum Goethe-Institut ist in Deutschland das Chinesische Kulturinstitut in Berlin. Solche Kooperationsprojekte bedürfen nicht der zwischenstaatlichen vertraglichen Regulierung. Entsprechend sind die Konfuzius-Institute ausnahmslos Kooperationsprojekte, in vielen Ländern vorwiegend mit Universitäten. In der Regel werden Konfuzius-Institute unter Beteiligung der Zentrale der Konfuzius-Institute in Peking zwischen einer chinesischen und einer deutschen Universität gegründet, beide Universitäten stellen je einen Ko-Vorsitzenden. Juristische Träger sind in Deutschland meist von beiden Partnern gebildete Vereine. Sie werden kofinanziert von beiden Partnern.
Im Unterschied zu den Goethe-Instituten unterstehen die Konfuzius-Institute direkt dem Pekinger Confucius Institute Headquarters und damit dem chinesischen Staat und der KPCh. Bei den Konfuzius-Instituten erfolgt die Festlegung der Lehrinhalte und die Rekrutierung der Lehrkräfte zentral. Auf der Webseite der Zentrale der Konfuzius-Institute heißt es, dass chinesische Sprachlehrer „zwischen 22 und 60 Jahre alt sowie körperlich und geistig gesund sein sollen; keine Aufzeichnungen über eine Teilnahme an Falun Gong und anderen illegalen Organisationen und kein Strafregister haben sollten.“ In vielen Universitäten ist der eigentliche Arbeitgeber die chinesische Regierung, nicht die Universität selbst. Die einzelnen Konfuzius-Institute vor Ort können in der Regel nicht selbstständig Lehrkräfte einstellen. Circa 50.000 Lehrkräfte an Konfuzius-Instituten gibt es. Das Hauptquartier der Konfuzius-Institute wählt das Personal aus, genehmigt die jährlichen Programmpläne und die Veranstaltungen der Konfuzius-Institute, so auch Lesungen chinesischer Schriftsteller.
Die Konfuzius-Institute sind im Unterschied zu den Goethe-Instituten parteistaatliche Institutionen und über Hanban dem chinesischen Bildungsministerium unterstellt. Hanban, „Staatliches Führungsgruppenbüro für die internationale Verbreitung der chinesischen Sprache“, ist heute gleichbedeutend mit Confucius Institute Headquarters, dem obersten Leitungsgremium der Konfuzius-Institute weltweit. Als gegenwärtiger Leiter wird auf der Webseite des Hanban (hanban.org) Ma Jianfei aufgeführt, der zugleich Parteisekretär im Hanban ist. Zum Verständnis: In der VR China gibt es in allen wichtigen Institutionen, Firmen usw. Parteizellen, deren Parteisekretär als Repräsentant der obersten Parteiführung auf den jeweiligen Ebenen die entscheidende Machtposition inne hat. Neben Ma Jianfei gibt es vier weitere Direktoren.
Das Confucius Institute Headquarters untersteht organisatorisch dem chinesischen Erziehungsministerium. In der Organisationsstruktur vorgeschaltet ist ihm der Council of the Confucius Institute Headquarters. Dieser Council umfasst Vertreter aus Ministerien und staatlichen Kommissionen. Gegenwärtige Leiterin und damit auch die oberste Verantwortliche für die Arbeit der Konfuzius-Institute ist die 70jährige Sun Chunlan, einzige Frau im 25köpfigen Politbüro des ZK der KPCh und eine der chinesischen Vizepremiers. Ihr Stellvertreter ist der Minister für Erziehung, Chen Baosheng. Schon ein kurzer Blick auf die Struktur der Konfuzius-Institute zeigt, dass diese nicht rein staatliche Institutionen sind, sondern der KPCh unterstehen. Die VR China ist ein kommunistischer Parteistaat, bei dem die Partei über allen staatlichen Institutionen steht. Die VR China ist und bleibt eine Diktatur, allerdings eine Entwicklungsdiktatur, die sich das ehrgeizige Ziel gesteckt hat, bis Mitte des Jahrhunderts die USA als führende Weltmacht abzulösen.
Finanzierung
Nach offiziellen Angaben ist das Hauptquartier des Konfuzius-Instituts eine nichtgewinnorientierte Organisation, wird aber vom chinesischen Staat finanziert. Von 2005 bis Ende 2018 hat das Hauptquartier der Konfuzius-Institute weltweit für die Arbeit der Konfuzius-Institute und deren Ausdehnung 500 Millionen Yuan (circa 65 Mio. Euro) ausgegeben, um dem nationalen strategischen Ziel nachzukommen, die kulturelle Soft Power auf allen Kontinenten zu verbreiten, den „Menschen zu helfen, die chinesische Sprache und Kultur kennenzulernen und den Austausch und die Zusammenarbeit zwischen China und anderen Ländern der Welt in den Bereichen Bildung und Kultur zu stärken” (Hanban).
Standen in den ersten Jahren die entwickelten Länder im Mittelpunkt, treten nun die Länder Afrikas, des Mittleren Ostens und der Dritten Welt in den Vordergrund. Chinas ehrgeizigstes Projekt ist sicherlich die Neue Seidenstraße, bei dem unter Chinas Führung Europa und Asien (unter Mitnahme von Afrika) infrastrukturell und ökonomisch zusammenwachsen sollen. Die Länder entlang dieser Neuen Seidenstraße sind prioritäre Ziele für Konfuzius-Institute, etwa Pakistan, zentralasiatische Staaten und natürlich Afrika. In diesen Ländern spielen weniger Kulturveranstaltungen eine Rolle – obwohl Kongfu bei Jugendlichen von Kamerun bis Nepal populär ist –, aber Sprachkurse sind hoch frequentiert, weil die Beherrschung des Chinesischen die Jobchancen erhöht.
“Über Tee-Zeremonien, Maultaschen zubereiten und Kungfu wird durch
die Auslassung vieler Fakten ein harmonisches Universum erzeugt, in
dem bestimmte Dinge und Personen nicht mehr vorkommen.“
So lernen junge Nepalis oder Kameruner Chinesisch, um entweder eine Anstellung bei chinesischen Firmen zu finden oder mit Chinesisch Geld verdienen zu können, ob als Reiseleiter für die immer zahlreicheren chinesischen Touristen oder für chinesische Firmen. Dabei bieten die Konfuzius-Institute großzügige Stipendienprogramme an. Ziel ist dabei, in Konkurrenz zu westlichen Staaten, allen voran den USA, zukünftige Eliten zu gewinnen und chinafreundlich zu stimmen. Stipendienprogramme gibt es auch im europäischen Raum, so z.B. für Reiseaufenthalte für Akademiker, um China besser kennenzulernen, für Sprachfortbildungen usw. Alle diese Programme werden von China finanziert.
Entpolitisierung durch harmlose Inhalte
Im deutschsprachigen Raum gibt es 19 Konfuzius-Institute in Deutschland, zwei in der Schweiz (Genf und Basel) und zwei in Österreich (Wien und Graz). Neben dem Studium der Sprache bieten viele Institute Vorträge über die traditionelle Kultur und das heutige China an sowie verschiedene Aktivitäten, wie Literatur, Kalligraphie, Kochen, Studium alter Texte, chinesische Geschichte, Gastronomie, traditionelle Medizin, Musik, chinesische Filme, Tai Chi usw.
Manche Konfuzius-Institute, wie etwa das in Frankfurt, versuchen verstärkt, über spezielle interkulturelle Kurse in wirtschaftliche Kreise vorzudringen. Für chinakritische Themen, wie Taiwan, Tibet, Xinjiang, mangelnde Meinungsfreiheit, Demokratiebewegung in Hongkong und Menschen-rechtsverletzungen, findet man praktisch nicht. Über Tee-Zeremonien, Maultaschen zubereiten und Kongfu wird durch die Auslassung vieler Fakten ein harmonisches Universum erzeugt, in dem bestimmte Dinge und Personen nicht mehr vorkommen.
Zu diesem „harmonischen“ Universum gehören Joshua Wong aus Hongkong ebenso wenig wie der Dalai Lama, der verschwundene Panchen Lama und die Texte und Gedichte der tibetischen Schriftstellerin Tsering Woeser. Die Konfuzius-Institute geben auch in mehreren Sprachen ein bilinguales Magazin heraus, „Konfuzius-Institut“, das weitgehend entpolitisiert ist.
Verherrlichung der chinesischen Kultur
Aber es ist auch nicht die von der KPCh den Konfuzius-Instituten zugeschriebene Aufgabe, kritische oder gar dissidente Stimmen zu Wort kommen zu lassen. Konfuzius-Institute sind dem früheren Propagandachef der KPCh, Li Changchun (2002-2012 Propagandachef), zufolge „wichtige Kanäle zur Verherrlichung der chinesischen Kultur und ihrer weltweiten Verbreitung“, sie sind „ein wichtiger Teil von Chinas Propaganda in Übersee”.
Anfang 2018 wurde parteioffiziell ein Papier zur Reform der Konfuzius-Institute verabschiedet, in dem zu lesen stand: „Die Vertiefung der Reform und Entwicklung der Konfuzius-Institute muss sich konzentrieren auf den Aufbau einer starken sozialistischen Kulturnation chinesischer Prägung.“ Konfuzius-Institute sollten in Zukunft besser der „Diplomatie eines mächtigen China“ dienen. Nichts ist mit internationalem Kulturaustausch, sie sind Instrumente der Einflusspolitik der KPCh.
Menschenrechte vs. wirtschaftliche Interessen
Viele Konfuzius-Institute im Westen wurden errichtet, als die öffentliche und politische Meinung nicht allzu kritisch gegenüber der VR China eingestellt war. Unter dem Motto „Wandel durch Handel“ schien sich China auf einem Weg der Annäherung an westliche Demokratien zu befinden. Das war schon damals nicht richtig und entpuppte sich in den letzten drei Jahren als eine Illusionsblase, die in der Realität platzte. Etliche westliche Firmen wie Mercedes Benz, VW u.a. machten einen regelrechten Kotau vor Chinas KP. Diese baute ihre Soft Power zur Sharp Power aus: Wenn du uns nicht gehorchst, dann wirst du abgestraft.
Beispiele dafür gibt es genug. Daimler z. B. hatte in einem Instagram-Post einen Satz des Dalai Lama dem Foto eines Mercedes-Modells zur Seite gestellt. Das Zitat lautete: “Betrachte Situationen von allen Seiten, und Du wirst offener.” Es folgte eine Welle von Kritik und zornigen Äußerungen in staatlichen Medien und sozialen Netzwerken, die kommunistische Parteizeitung warf dem deutschen Autobauer in einem Kommentar gar vor, sich “zum Feind des chinesischen Volkes gemacht” zu haben.
Die Folge: Der Autobauer entschuldigte sich unterwürfigst. Das Unternehmen habe unverzüglich Maßnahmen eingeleitet, “um unser Verständnis der chinesischen Kultur und Werte weiter zu vertiefen.” Daimler habe nicht die Absicht gehabt, Chinas Souveränität oder territoriale Integrität in Frage zu stellen. Man bedauere den Fehler, der die Menschen in China verletzt habe.
Chinas positives Image schwindet
Aber die Stimmung hat sich geändert. Die VR China hat längst nicht mehr das positive Image von Mitte der 2000er Jahre oder zu Zeiten der Olympiade in Beijing 2008. Heute überwiegen Misstrauen und Angst, chinesische Staatsfirmen könnten wichtige europäische Unternehmen aufkaufen, sich in angeschlagene Unternehmen einkaufen, und die VR China könnte systematisch Industrie- und Biospionage in Europa betreiben.
Das 5G-Netz des chinesischen, von der KPCh unterstützten Konzerns Huawei bereitet Regierungen zunehmend Probleme. Am weitesten fortgeschritten ist diese Furcht in den USA, Kanada und Australien. Australien hat die chinesische Sharp Power zu spüren bekommen, als es zusammen mit anderen Staaten von der VR China verlangte, offen ihre Fakten der Entwicklung der Corona-Epidemie darzulegen. Antwort: Drohung mit Abbruch der Handelsbeziehungen. In diesen Ländern haben auch die Konfuzius-Institute größere Einflussmöglichkeiten auf die jeweiligen Partnerorganisationen, auf die Curricula und Professuren. So gibt es in diesen Ländern zunehmend Beispiele von Bespitzelung von Professoren durch chinesische Studenten, denen bestimmte Themen und Statements in den Seminaren missfallen, etwa über Taiwan, Tibet, Hongkong und andere Themen.
Es ist dann kein Wunder, dass dort die Kritik an den Konfuzius-Instituten am weitesten fortschreitet, nicht nur, weil dort „China-Falken“ besonders aktiv sind. In den letzten sechs Jahren sind an 29 Universitäten in den USA Konfuzius-Institute wieder geschlossen worden, die Mehrzahl aufgrund eines 2019 verabschiedeten Gesetzes, das beinhaltet, US-amerikanischen Erziehungsinstitutionen kein Geld mehr zu geben, sollten sie Konfuzius-Institute beherbergen. Dem voraus gingen Klagen vieler Universitäten über verstärkte Einflussnahme auf Curricula und Lehrinhalte.
In Europa sind einige Konfuzius-Institute geschlossen worden, etwa an der Universität von Leiden in den Niederlanden, an der Universität von Stockholm in Schweden oder der Universität in Lyon, Frankreich.
Kritik an deutschen Konfuzius-Instituten
Anfang dieses Jahres gab es eine Kontroverse über Konfuzius-Institute in Deutschland. In Bayern verlangte der SPD-Abgeordnete Markus Rinderspacher von der bayerischen Landesregierung, offenzulegen, mit wie viel Geld der bayerische Staat die Konfuzius-Institute unterstütze. Erst auf Androhung einer Klage wurden die Zahlen herausgegeben: mit circa 350.000 Euro, wobei der Großteil der Gelder an die Universität Erlangen-Nürnberg und das dort ansässige Konfuzius-Institut ging, um „einen Beitrag zur Vermittlung der chinesischen Sprache und Kultur in Bayern und damit zu interkulturellem Austausch“ zu leisten.
In Düsseldorf beendete die Universität den Kooperationsvertrag mit dem Konfuzius-Institut, weil die Einflussnahme staatlicher chinesischer Stellen nicht auszuschließen und es nicht ersichtlich sei, welche wissenschaftlichen Aufgaben das dortige Konfuzius-Institut übernommen habe. Das Konfuzius-Institut Düsseldorf möchte gerne mit der Stadt Düsseldorf über ein weiteres Kooperationsprojekt verhandeln.
Das Konfuzius-Institut an der FU Berlin wurde 2006 gegründet. Es wird betrieben von einem Trägerverein, in dem Vertreter der FU und der Peking-Universität sitzen. Anfang dieses Jahres brach der Zwist über eine Stiftungsprofessur aus: Das Hauptquartier der Konfuzius-Institute beabsichtigt, 500.000 Euro für eine Stiftungsprofessur zum Lehramtsstudiengang Chinesisch zu zahlen. Laut Berliner Tagespiegel kann dem Vertrag zufolge die chinesische Seite von der FU „korrigierende Maßnahmen“ verlangen, etwa, wenn der Lehrstuhl länger als ein Jahr lang unbesetzt oder Gelder zweckwidrig ausgegeben werden oder wenn die FU im Rahmen des Programms chinesische Gesetze verletzt.
Kurzum: Die potentielle Einflussnahme der chinesischen Seite auf die Inhalte ist groß. Vertragspartner der FU ist das Confucius Institute Headquarters. Auf einen kritischen Bericht im Tagesspiegel über diese Stiftungsprofessur antwortete in einem Artikel Mechthild Leutner, ehemalige Professorin an der FU für Staat und Gesellschaft im modernen China und Direktorin des dortigen Konfuzius-Instituts von 2006 bis 2019, dass es sich dabei um eine ganz normale Anschubfinanzierung handele, dass alles nach deutschem Recht und Gesetz abgewickelt würde, und dann schreibt die Ehrenprofessorin der Peking-Universität:
„Auch deutsche Politiker vertreten eine wertegeleitete Außenpolitik. Da allerdings diese Kriterien nicht in gleicher Weise auf alle Länder angewandt werden, kann sich der Verdacht aufdrängen, dass die wertegeleitete Außenpolitik sich im Besonderen auf China bezieht und zur ‚Eindämmung‘ Chinas instrumentalisiert wird. Ist es angesichts der globalen Probleme jedoch sinnvoll, alte Feindbilder als Mittel der Politik wiederzubeleben? Dass China sich als selbstbewusster Akteur im internationalen System etabliert hat – das scheint für die USA und ihre Verbündeten schwer akzeptabel zu sein. So sind es einerseits die Interessen des Machterhalts und der Sicherung der bisherigen Vorrangstellung, die in den gängigen Chinabildern ihren Ausdruck finden. Andererseits scheint es in diesen Zeiten immenser ökologischer und gesellschaftlicher Herausforderungen, die mit existenziellen Ängsten für viele Menschen verbunden sind, relativ leicht möglich zu sein, an das Klischee von der ‚gelben Gefahr‘ anzuknüpfen, so wie derzeit noch bei einem ganz anderen Thema, dem Umgang mit dem Coronavirus.“
Mechthild Leutner / “Tagesspiegel”
Stellungnahme der Bundesregierung
Hier haben wir das Totschlagargument: Kritik an der KPCh läuft auf die Beschwörung des Klischees von der „Gelben Gefahr“ hinaus, nicht die KPCh hat Probleme mit schweren Menschenrechtsverletzungen, mit ihrem undurchschaubaren Umgang mit der Corona-Epidemie, sondern die Kritiker. Wer China wegen seines Umgangs mit der Corona-Epidemie kritisiert, dämonisiert China. Alles Übel liegt auf der Seite des Westens, vor allem der USA. Solche Sinologinnen und Sinologen betreiben aus freien Stücken das Spiel der KPCh. Man kann nur hoffen, dass nicht alle Direktoren und Direktorinnen der Konfuzius-Institute ähnlich borniert denken. Die Konfuzius-Institute sind eben nicht einfach, wie Mechthild Leutner behauptet, eine Unterabteilung des chinesischen Erziehungsministeriums, sie unterstehen dem Politbüro der KPCh und nehmen einen wichtigen außenpolitischen Auftrag wahr.
Dies sieht übrigens die Bundesregierung genauso. In ihrer Antwort auf eine Anfrage der FDP über die Konfuzius-Institute vom 27.11.2019 (Drucksache 19/15560) heißt es u.a.: „Der Bundesregierung ist bekannt, dass der chinesische Staat bzw. die Kommunistische Partei Chinas Einfluss auf Veranstaltungen, Lehrinhalte und -materialien an Konfuzius-Instituten in Deutschland nimmt. Dies erschließt sich bereits aus der engen organisatorischen und finanziellen Anbindung der Institute an staatliche chinesische Institutionen, namentlich an die der Zentralen Propagandaabteilung der Kommunistischen Partei Chinas unterstellte Kulturorganisation ‚Hanban‘.“ Einflussnahmen der Konfuzius-Institute auf Forschung und Lehre oder einzelne Wissenschaftler sind der Bundesregierung nicht bekannt. Die Bundesregierung verfolge aber die künftige Entwicklung der Konfuzius-Institute, deren Aufgabe sich auf den „Aufbau der sozialistischen Kultur“ fokussiere. Die Bundesregierung nehme mögliche Einflussnahmen anderer Länder sehr ernst, das betreffe auch China, auch der Bundesverfassungsschutz befasse sich im Rahmen seiner gesetzlichen Zuständigkeit mit den Einflussaktivitäten Chinas.
Immer wieder tauchen die Vorwürfe auf, Konfuzius-Institute würden auch zu nachrichtendienstlichen Zwecken genutzt. Diese Vorwürfe lassen sich nur schwer verifizieren, und der Verfassungsschutz wird sich mit seinen Kenntnissen eher bedeckt halten. Nicht dass es keine Spionagetätigkeiten seitens Chinas gibt, Fälle sind bekannt geworden in Kanada, Australien, den USA und in Deutschland. Deutsche Geschäftsleute sind über die Jahre immer wieder in China ausspioniert worden. Ein Zentrum der nachrichtendienstlichen Tätigkeiten Chinas in der EU ist Brüssel. Dort wurde letztes Jahr der Leiter des Konfuzius-Instituts an der Freien Universität Brüssel wegen Spionage verhaftet und ihm ein Reiseverbot für den gesamten Schengener Raum erteilt, doch im April 2020 hob ein belgisches Gericht diese Maßnahmen auf, es lägen keine Beweise vor. Aber Belgien, so sehen es viele Fachleute, sei ein Zentrum chinesischer Spionageaktivitäten, neben dem Sammeln von Informationen über die EU-Politik stehen im Vordergrund ökonomische Themen, G5-Netz, Transport, Seidenstraße usw.
Für Konfuzius-Institute wird aber wohl auch künftig im Zentrum stehen, über Sprachunterricht und Kulturveranstaltungen kritischen Berichterstattungen über China entgegenzutreten, auch wenn die Konfuzius-Institute stärker politisch ausgerichtet werden. Der chinesische Botschafter in Schweden, Guo Congyou, meinte in einem Interview im schwedischen öffentlichen Radio, Lehrkräfte in den Konfuzius-Instituten müssten natürlich die wahren Fakten (im Sinne der KPCh) über die Ereignisse auf dem Tian‘anmen-Platz 1989 in ihren Kursen darstellen. Und für die Kritiker Chinas hatte er eine Verszeile aus dem bis heute in China populären nationalistischen Lied „Wode zuguo – Mein Vaterland“ aus dem Jahre 1956 parat: „Kommen Freunde, werden sie mit gutem Wein bewirtet, kommen aber Wölfe, sind es Jagdgewehre, die sie begrüßen.“ Hintergrund war der zunehmende Druck Pekings auf die schwedische Kritik an China. U.a. war der schwedische Staatsbürger chinesischer Herkunft Guo Minhui, der als Verleger kritische Bücher über Xi Jinping publizierte, von der VR China entführt und 2018 wegen staatsfeindlicher Propaganda zu 10 Jahren Haft verurteilt worden. Schweden wurde von der VR China schwer unter Druck gesetzt, mit der Folge, dass heute in Schweden alle Konfuzius-Einrichtungen geschlossen sind.
Fazit
Eine der zentralen Lehren des Konfuzius im 5. Jahrhundert v. u. Z. war die „Richtigstellung der Begriffe“: „Sind die Bezeichnungen nicht richtiggestellt, so entspricht, was man sagt, nicht den Tatsachen. Entspricht, was man sagt, nicht den Tatsachen, so werden die Handlungen der Regierung ohne Erfolg bleiben.“ (Gespräche, Kapitel XIII, 3)
Konfuzius-Institute sind Teil der sinokommunistischen Außenpropaganda und nicht einfach nur staatliche Institutionen zum kulturellen Austausch. Deswegen kann es nicht hingenommen werden, dass eine ausländische Diktatur auf deutschem Boden Erziehungsinstitute finanziert und das Lehrpersonal kontrolliert. Sie haben an deutschen Hochschulen und Schulen nichts zu suchen.
// von GOTTFRIED GÄRTNER (Name geändert), Sinologe, Übersetzer, lebte und arbeitete viele Jahre in China
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Last modified: 26. August 2021