Im Juli schickten wir unser Briefing zu politischen Gefangenen im Zusammenhang mit Online-Kommunikation an den Außenminister. Etliche Tibeter*innen sitzen derzeit in Haft, weil sie online über Social Media oder Chats ihre Meinung über die politischen und kulturellen Repressionen in Tibet äußerten. Mit Unterstützung aus dem Bundestag machten wir die Bundesregierung auf die Fälle aufmerksam.
Die Gesetzeslage mit Blick auf Cybersecurity und staatlicher Kontrolle von Online-Aktivitäten in China hat sich zunehmend verschärft. Im Januar 2021 kündigte Chinas Cybersecurity Administration neue Regeln an, die es den Bürger*innen verbietet, Online-Artikel, Blogs oder Kommentare mit Schwerpunkt auf „Gesundheit, Politik, Wirtschaft, Bildung, Militär und bestimmte andere Themen“ ohne offizielle Erlaubnis zu verfassen. Über 18.000 Webseiten wurden gesperrt und als „illegal“ denunziert. Tausende Bürger*innen, darunter Tibeter*innen, wurden daraufhin strafrechtlich verfolgt.
Durch die zunehmenden Kontrollen werden Tibeter*innen immer mehr dem Risiko ausgesetzt, Opfer von willkürlichen Haftstrafen zu werden. Im Briefing nennen wir 16 Beispiele, darunter Teenager, welche ins Gefängnis kamen, weil sie eine WeChat-Gruppe nicht bei Behörden registriert hatten. Einem der Jugendlichen, Dadul, wurden in Haft beide Beine gebrochen.
Diese Forderungen stellten wir an die Bundesregierung:
Veröffentlichen Sie gemeinsame Statements beim UN-Menschenrechtsrat, in denen Sie mit Nachdruck Ihre Sorge über die extremen Maßnahmen gegen Tibeter*innen im Zusammenhang mit friedlicher Online-Meinungsäußerung ausdrücken und die chinesischen Behörden auffordern, ihre Einschüchterungstaktiken gegen Tibeter*innen sofort einzustellen.
Unterstützen Sie dringend die Einrichtung eines unabhängigen UN-Mandats zur Überwachung und Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen in Tibet.
Setzen Sie sich auf EU-Ebene für personenbezogene Sanktionen gegen chinesische Beamt*innen und Regierungsstellen ein, welche verantwortlich für die Menschenrechtsverletzungen in Tibet sind.
Fordern Sie uneingeschränkten Zugang für unabhängige Beobachter*innen, Diplomat*innen und Journalist*innen nach Tibet, welche die Menschenrechtslage vor Ort untersuchen. Solange reziproker Zugang nach Tibet nicht gewährt wird, sollte denjenigen chinesischen Beamt*innen, die mit den Beschränkungen in Verbindung stehen, ebenfalls keine Reiseerlaubnis nach Deutschland gewährt werden.
Die Bundestagsabgeordnete Margarete Bause (Bündnis 90/Die Grünen) leitete das Briefing an die Bundesregierung weiter und fragte die Bundesregierung erneut, mit welchen konkreten Maßnahmen die Regierung „auf die Berichte von staatlicher Folter- und Gewaltanwendung an festgenommenen und inhaftierten Tibeter*innen“ reagiert. Bause erkundigte sich darüber hinaus, inwiefern der Regierung „Erkenntnisse hinsichtlich zunehmender Repressionsmaßnahmen, die Tibet im Vorfeld des Besuchs des chinesischen Präsidenten Xi Jinpings angewandt wurden“ Bescheid wisse.
Die Antwort aus dem Auswärtigen Amt lautete knapp, dass die Bundesregierung die chinesische Seite mehrfach dazu aufgefordert habe, die Fälle von Misshandlungen in Haft glaubhaft aufzuklären und unabhängigen Beobachter*innen freien Zugang nach Tibet zu gewähren. Multilateral habe man sich im 47. Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen einer gemeinsamen Erklärung von 44 Staaten angeschlossen, in der unter anderem auch Tibet erwähnt wurde. Die Anfrage samt Antwort ist hier nachzulesen: PDF
Fazit: Es gibt Luft nach oben. In der gemeinsamen Erklärung im Menschenrechtsrat wird Tibet lediglich am Rande erwähnt. Die Aufforderungen an die chinesische Regierung, Folter und Misshandlungen in Haft aufzudecken scheinen fast symbolisch.
Es ist wichtig, dass sich Deutschland besonders in der EU stärker dafür einsetzt, personenbezogene Sanktionen gegen hochrangige Menschenrechtsverbrecher in Tibet durchzusetzten, darunter der momentane Parteisekretär der Autonomen Region Tibet Wu Yingjie sowie der ehemalige Parteisekretär Chen Quanguo, welcher erst in Tibet und später in Ostturkestan (Xinjiang) einen dystopischen Polizeistaat erschuf.
Last modified: 28. September 2021