Jahrelang beteiligte sich die Stadt Minden nicht mehr an unserer Flaggenaktion. Um den chinesischen Städtepartner nicht zu vergrätzen, vermuteten einige Bürger – und machten ihrem Unmut darüber Luft. Nach juristischen Bedenken und diversen Ausflüchten fanden die Proteste parteiübergreifend zu einem Happy End: Minden wird ab sofort wieder Flagge zeigen! Eine Schlüsselrolle spielte dabei unsere Vertreterin vor Ort, Christiane Haselau.
April 2018: „Lasst die Tibet-Flagge flattern“, fordert Christiane Haselau in ihrem Leserbrief an das Mindener Tageblatt. Als langjähriges, engagiertes Mitglied der Tibet Initiative Deutschland ist es ihr ein Dorn im Auge, dass sich die Stadt Minden seit nunmehr zehn Jahren nicht mehr an der Flaggenaktion beteiligt. Mit dem Hissen der Flagge bekunden Hunderte Städte und Gemeinden in ganz Deutschland seit vielen Jahren am 10. März – dem Jahrestag des tibetischen Volksaufstands von 1959 – ihre Solidarität mit den Menschen in Tibet.
Christiane Haselau vermutet die Gründe für die Absage in der Städtepartnerschaft mit der chinesischen Stadt Changzhou – und ist damit nicht allein. Der Mindener Berater Jürgen Schnake erhält von der Pressestelle der Mindener Stadtverwaltung auf Anfrage eine Bestätigung, dass das Einstellen der Flaggenaktion in Zusammenhang mit der Städtepartnerschaft steht. Laut einem Bericht des Mindener Tageblatts (€) bestätigt dies Bürgermeister Michael Jäcke später intern gegenüber Parteifreunden.
Als im März 2019 die Teilnahme an der Flaggenaktion erneut abgesagt wird, ist die offizielle Begründung allerdings eine juristische: Das Rechtsamt rate unter Berufung auf die Flaggenverordnung Nordrhein-Westfalens und die Verwaltungsvorschrift zum Gesetz über das öffentliche Flaggen davon ab, die Tibet-Flagge zu hissen. Wie das lokale Online-Magazin OctoberNews jedoch schlüssig beschreibt, ist das Hissen der Tibet-Flagge durchaus möglich und zulässig – sofern die Verwaltungsleitung das wünscht.
Rückenwind aus Porta Westfalica
Die Verwaltungsleitung – in diesem Fall Michael Jäcke – wünscht es nicht. Zweimal erscheint Christiane Haselau persönlich in der Sprechstunde des Bürgermeisters, um ihn umzustimmen. Ein dritter Termin wird ihr verwehrt, die Anfrage sei bereits per E-Mail beantwortet worden.
Sie lässt sich nicht entmutigen, spricht mit den Mindener Parteien, versucht die Entscheidungsträger auf ihre Seite zu bringen. Bei einer Diskussion auf Initiative des SPD-Ortsverbandes im Kulturzentrum BÜZ Ende November 2019 werden selbst die Stimmen in der Partei des SPD-Bürgermeisters lauter, die sich für eine Wiederaufnahme der Flaggenaktion aussprechen.
Rückenwind erhalten die Forderungen aus der Nachbarstadt: Nach einem Bürgerantrag, eingebracht von Hermine Ducks-Schiller und Christiane Haselau von unserer Kontaktstelle vor Ort, entscheidet der Stadtrat von Porta Westfalica, 2020 erstmals die tibetanische Flagge vor dem Rathaus wehen zu lassen.
Ein Kommentar im Mindener Tageblatt bringt es auf den Punkt. Unter der Überschrift „Porta kann, was Minden nicht will“ (€) heißt es mit Bezug Mindens Städtepartnerschaft: „[D]ie Chinesen empfinden es als Provokation, tibetanische Flaggen vors Rathaus hängen – und sei es nur für einen Tag. (…) Es wäre noch zu verschmerzen, dass Minden klein beigibt. Dass der Bürgermeister aber bis heute so tut, als bestehe kein Zusammenhang, ist das eigentlich Fragwürdige.“
Einstimmig minus eins
Zwar wird der Bürgerantrag in Minden abgewiesen, weil Christiane Haselau nicht in der Stadt, sondern in Porta Westfalica gemeldet ist. Dennoch kommt plötzlich Fahrt in die Sache: Auf Haselaus Bitte hin bringt die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen das Anliegen in den Haupt- und Finanzausschuss ein. In der Zwischenzeit hat auch die CDU-Fraktion nach einem Briefwechsel mit der Tibet Initiative Deutschland einen eigenen Antrag mit der Forderung formuliert, die Tibet-Flagge solle „im oder am Rathaus“ zu sehen sein.
Der Haupt- und Finanzausschuss der Stadt Minden setzt das Thema am 23. Januar 2020 auf die Tagesordnung. „Ich habe nicht viel erwartet“, sagt Christiane Haselau. „Dazu waren die Positionen zu festgefahren.“ Doch in der Sitzung geschieht das Unfassbare: Eine Partei nach der anderen unterstützt in der Sitzung den Antrag. Viele Abgeordnete wollen sogar darüber hinausgehen: Warum könne die Tibet-Flagge nicht „im UND am Rathaus“ gezeigt werden? Der Antrag wird entsprechend geändert.
Selbst die FDP-Fraktion, die sich anfänglich gegen das Flaggen ausspricht, lässt sich von den Argumenten der Befürworter überzeugen. Die anschließende Abstimmung fällt einstimmig aus: Minden wird die Tibet-Flagge wieder hissen. Nun ja, fast einstimmig: Bürgermeister Michael Jäcke, der die Sitzung selbst leitet, spricht sich gegen den Antrag aus – offenbar aufgrund der Wortwahl (€): Die Änderung von „oder“ zu „und“ mache seine Zustimmung unmöglich.
Zeichen für Demokratie und Menschenrechte
Der Freude von Christiane Haselau tut das keinen Abbruch: „Ich konnte es kaum fassen“, beschreibt sie ihr Gefühl nach der Abstimmung. „Dass sich alle Parteien durchweg für die Wiederaufnahme der Flaggenaktion ausgesprochen haben, macht mich sehr glücklich.“
Ausruhen werde sie sich auf diesem Erfolg aber nicht, sagt Christiane Haselau. Nachdem die Absage der Flaggenaktion 2018 offiziell damit begründet wurde, die Flagge sei nicht auffindbar (€), hat sie bereits Kontakt mit der Stadt aufgenommen und angeboten, eine neue Flagge zu spenden. Bleibt zu hoffen, dass mit ihrem Hissen am kommenden 10. März das letzte Kapitel im Mindener Flaggenstreit geschrieben wird.
Wir von der Tibet Initiative Deutschland beglückwünschen die Mindener Abgeordneten zu ihrer Entscheidung als starkes Signal für demokratische Werte und Menschenrechte!
Lesen Sie auch:
Last modified: 26. August 2021