Es handele sich lediglich um einen Naturfilm, so der zuständige Redaktionsleiter auf unsere Kritik an einer NDR-Doku über Tibet. Doch ganz so einfach ist es leider nicht mit der mehrteiligen Dokumentation „Wildes China“, welche kürzlich im NDR erschien und später in der ARD-Mediathek landete.
Die Co-Produktion zwischen der BBC und dem chinesischen Staatssender CCTV zeigt zwischen scheinbar harmlosen Bildern von exotischen Tieren auch Szenen des alltäglichen Lebens von Tibeter*innen. Zu sehen sind vermeintlich „zufriedene“ Mönche, die frei ihre Religion ausleben dürfen. Bilder, die eine schaurige Ähnlichkeit mit einem allzu gern genutzten Narrativ der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) haben: Sie versucht dem ausländischen Publikum vorzugaukeln, dass Tibeter*innen im besetzten Tibet „glücklich“ seien. Eine lang erprobte Strategie der KPCh, um von den gravierenden Menschenrechtsverletzungen in Tibet abzulenken.

Propaganda im öffentlich-rechtlichen Rundfunk
Solche Propaganda von chinesischen Staatsmedien ist nicht verwunderlich. Deutscher öffentlich-rechtlicher Rundfunk sollte diesen KPCh-Narrativen aber nicht unkritisch folgen: Mit einer Dokumentation zur besten Sendezeit, welche den Eindruck erweckt, es gebe in Tibet so etwas wie Religionsfreiheit.
Dabei ist egal, ob diese Szenen in einer Naturdokumentation oder anderswo erscheinen: Fakt ist, dass solche Szenen politisch hochsensibel sind und ein verzerrtes Bild der traurigen Realität im heutigen Tibet zeichnen.
Dokumentation kennzeichnen oder löschen
Gemeinsam mit der Gesellschaft für bedrohte Völker konfrontierten wir NDR und ARD mit der Problematik: Wir forderten, die Dokumentation aus der Mediathek zu nehmen oder die Darstellung der Tibeter*innen im Film als Propaganda zu kennzeichnen. Wir erklärten, dass diese Szenen nichts mit der Realität in Tibet zu tun haben – wo Tibeter*innen aufgrund ihres Einsatzes für die tibetische Kultur gefoltert und interniert werden.
Die Redaktionsleitung des NDR sagt, sie hätte „Tibet-Experten“ zu Rat gezogen. Diese „Experten“ hätten ihr versichert, dass außerhalb des Autonomen Gebiets Tibet (TAR) mehr Religionsfreiheit gewährleistet sei. Wer diese vermeintlichen „Experten“ waren, sagte man uns jedoch nicht.
NDR versteht Realität in Tibet nicht
Aus dem Antwortschreiben des NDR geht hervor, dass die Redaktion nicht versteht, dass Tibet sowohl aus der TAR als auch aus großen Teilen anderer chinesischer Provinzen besteht. Osttibet (Amdo und Kham) wurde nach 1951 zwangsweise in diese chinesischen Provinzen eingegliedert.
Es entspricht nicht der Realität, dass die Tibeter*innen in Osttibet sehr viel glücklicher und freier wären als im Rest Tibets. Wir haben diese Missverständnisse in einem zweiten Schreiben an den NDR aufgeklärt. Auf eine Antwort zu unserer Klarstellung warten wir noch.
LEST HIER DEN VOLLSTÄNDIGEN BRIEFWECHSEL :
Last modified: 26. August 2021