Ende Juli schloss die chinesische Regierung das US-Konsulat im südchinesischen Chengdu. Die Schließung des Konsulats bedeutet einen schweren Schlag für die Menschenrechtsarbeit in Tibet.
Als Reaktion auf die Schließung des chinesischen Konsulats in Texas hatte die chinesische Regierung am 27. Juli 2020 das Konsulat der Vereinigten Staaten in der Hauptstadt der Provinz Sichuan geschlossen. Ein diplomatisches Desaster, denn Chengdu, das auch als „Tor zu Tibet“ bekannt ist, war bis dahin einer der wenigen Orte, an dem US-Diplomaten seit 1985 Informationen über Menschenrechtsverletzungen in Tibet sammeln konnten.
Angrenzend an tibetische Regionen außerhalb des Autonomen Gebiets Tibet (TAR), das nur etwa rund die Hälfte des Gebiets des ehemaligen Tibets umfasst, kommt der Stadt Chengdu besondere strategischer Bedeutung zu: Sie liegt in der Nähe von den Hauptgebieten des gegenwärtigen tibetischen Widerstands, besonders den Orten, an denen in den letzten Jahren viele Selbstverbrennungen stattfanden.
Daher trifft die Schließung des Konsulats sowohl das Autonome Gebiet Tibet und weitere tibetische Präfekturen (Kham und Amdo, die nach der Annexion in chinesische Provinzen eingegliedert wurden) als auch Ostturkestan (chin.: Xinjiang). Das US-Konsulat in Chengdu lieferte in der Vergangenheit Informationen über Menschenrechtsverletzungen in diesen Regionen aus erster Hand. Es stellte somit einen wertvollen Außenposten in einer Region dar, in der es für Journalisten und Diplomaten fast unmöglich ist, authentische Informationen über die Lage in Tibet zu bekommen.
Ein Dorn im Auge Chinas – die USA berücksichtigten tibetische Kultur
Der chinesischen Regierung kam der Schachzug der USA, die chinesische Vertretung in Texas zu schließen, offenbar gelegen. Chinas Führung kann nun damit rechnen, dass sie mit ihrer willkürlichen Missachtung von Menschenrechten in Tibet künftig noch ungeschorener davonkommt. Die USA waren die einflussreichste ausländische Vertretung vor Ort und hatten in der Vergangenheit darauf hingearbeitet, dass die tibetische Kultur erhalten bleibt.
So hatte das Konsulat etwa 2019 zu den Feierlichkeiten des amerikanischen Nationalfeiertags nicht nur auf Englisch und Chinesisch eingeladen – sondern auch auf Tibetisch. Begründet hatte das US-Konsulat das mit ihrer Zuständigkeit auch für die Autonome Region Tibet. Diese Anerkennung Tibets samt seiner kulturellen Einzigartigkeit kam bei der chinesischen Regierung nicht gut an. Sie verstand die Nutzung der tibetischen Sprache als Affront und lehnte die Einladung kurzerhand ab.
Dabei verspricht die chinesische Führung immer wieder, die tibetischen kulturellen Rechte seien geschützt und der Gebrauch der tibetischen Sprache werde gefördert. Diese Rechte sind in der chinesischen Verfassung und einigen Gesetzen verankert.
Die Realität widerspricht den Rechten, die China auf Papier verspricht
Die Reaktion Chinas ist keine Überraschung: Dass die Regierung mit allen Mitteln versucht, die tibetische Kultur und Sprache systematisch abzuschaffen, ist bekannt. Das belegen Tatsachen wie die Inhaftierung des Sprachaktivisten Tashi Wangchuk und die stetig steigende Zahl Han-chinesischer Lehrer ohne Tibetisch-Kenntnisse an tibetischen Schulen. Kindern ist sogar der Besuch von Klöstern verboten, weil Nonnen und Mönche dort informell Tibetisch lehren, was in den Schulen Tibets verwehrt wird.
Das US-amerikanische Konsulat hat solche Fälle von Menschenrechtsverstößen, politischen Gefangenen und verfolgten Menschenrechtlern in der Vergangenheit genau verfolgt und dokumentiert.
Dass das Konsulat nun geschlossen wurde, zeigt einmal mehr, wie beharrlich China an seiner Machtpolitik in Tibet festhält. Wir hoffen, dass das Auswärtige Amt es als seine Aufgabe sieht, die hinterlassene Lücke zu schließen und sich im Deutschen Generalkonsulat in Chengdu nun umso mehr dafür einsetzt, die Menschenrechtsverletzungen in Tibet aufzudecken.
Last modified: 10. August 2020