
Mitte August fand die Überprüfung von China im UN-Ausschuss gegen Rassendiskriminierung statt. Eine seltene Gelegenheit, China unbequeme Fragen zu stellen. Zuvor haben wir als Teil der Tibet Advocacy Coalition einen Hintergrundbericht zur Lage in Tibet verfasst und dem Ausschuss vorgelegt. In Genf nahmen wir an der Ausschusssitzung teil und konnten auch einige Ausschuss-Mitglieder persönlich informieren.
Eine 49-köpfige Delegation aus China saß am Freitag, 10.08., um 15 Uhr, im Palais de Wilson in Genf. Als wir vor der Tür standen, fühlten wir große Anspannung. Meine Teamkollegin Padma sagte zu mir: „Wir gehen jetzt gemeinsam da rein und lassen uns nicht unterkriegen!“ Golog Jigme, Freiheitskämpfer und ehemaliger politischer Gefangener, ging uns voran.
Am Freitag sprach Ausschuss-Mitglied Cali Tzay über Tibet: China müsse doch wissen, dass man eine jahrtausendalte Kultur nicht unterdrücken könne, und dass Assimilierung der Tibeter keine Lösung sei. Weiter fragte er, wieso Tibeter keine Bewegungsfreiheit hätten, nicht ausreisen dürften und sich nicht einmal frei in ihrem eigenen Land bewegen könnten, während dies Chinesen nicht beträfe.
Am Montag musste die chinesische Delegation antworten. Die Verleumdung der Fakten war schockierend, aber keine Überraschung. Ein Mitglied der chinesischen Delegation verkündete: „Ich bin ethnisch Tibeter, geboren in Lhasa und arbeite und lebe auch dort seit vielen Jahren. Das heutige Tibet erfährt schnelles Wachstum und Fortschritt unter der Einheit aller ethnischen Gruppen. Alle Menschen sind glücklich. Es gibt Religionsfreiheit und die tibetische Tradition und Kultur werden bewahrt…“
Doch blieben die Ausschussmitglieder davon unbeeindruckt und hielten sich an die Fakten. Cali Tzay fragte, wie denn die chinesische Regierung dafür sorgen werde, dass das Seidenstraßen-Projekt die tibetische Nomadenkultur nicht vollends zerstören würde? Und wie die Delegation die Landenteignung der tibetischen Nomaden begründet.
Das letzte Wort hatte der Länderverantwortliche des Ausschusses, Nicolas Marugan. Er nutzte die allerletzten Minuten, um nochmals auf die Fälle von Tibetern und Uiguren aufmerksam zu machen, die willkürlich inhaftiert, gefoltert oder auch in Haft gestorben sind. Dabei erwähnte er den Fall von Tenzin Delek Rinpoche, der 2015 in chinesischer Haft verstarb.
Ausschussmitglied Gün Kut zeigte sich von den Antworten der chinesischen Delegation offen enttäuscht: „Ich hoffe, ihr seid nicht von China hier angereist, um uns zu erzählen, dass alles in Ordnung sei?“ Es war wichtig, dass alle Punkte, die wir in unserem Bericht herausgestellt hatten, Erwähnung fanden. Die Tatsache, dass UN-Experten die Unterdrückung in Tibet und Ost-Turkestan ausdrücklich zur Sprache brachten, ist ein diplomatischer Erfolg. Wir erwarten jetzt mit Spannung den Abschlussbericht des Komitees. Dass all diese Punkte und Chinas Reaktion darauf dokumentiert werden, ist eine wichtige Grundlage für unsere politische Arbeit- ob auf UN- und bundesdeutscher Ebene.
Die Missstände in Tibet anzusprechen und auf die politische Agenda zu bringen, ja, dazu sind wir verpflichtet. Die Opfer der Unterdrückung vertrauen darauf. Im November findet die Universelle Menschenrechtsüberprüfung von China beim UN Menschenrechtsrat in Genf statt. Wir fordern von der deutschen Bundesregierung, bei dieser Überprüfung Tibet zur Priorität zu machen.
// Migmar Dhakyel
Last modified: 8. Juni 2021