Schönfärberei, Verzerrungen und Unwahrheiten: In der schweizerischen Weltwoche erschien Anfang April ein Gastbeitrag des chinesischen Botschafters in der Schweiz, Geng Wenbing, zur aktuellen Lage in Tibet. Ein Leserbrief.
Foto: ©Dieter Glogowski
Liebe Weltwoche,
wie nicht anders von dieser Art Autor zu erwarten, wurde uns bei Ihnen unter dem Titel „Autonomie & Wohlstand“ ein sehr einseitiger und schöngefärbter Blick auf die aktuelle Lage in Tibet serviert. Sehr wohl zu erwarten gewesen wäre in einem Medium mit journalistischem Anspruch eine sachliche Einordnung der Behauptungen. Davon bei Ihnen: Fehlanzeige.
So darf der chinesische Botschafter Geng Wenbing bei Ihnen unkommentiert seine Propaganda verbreiten: von versklavten Tibetern vor dem chinesischen Einmarsch reden, ebenso von demokratischen Reformen (welchen?), von Autonomie, Wohlstand und Religionsfreiheit der tibetischen Bevölkerung heute und von den Wohltaten der chinesischen Machthaber. Wie wenig die Darstellungen des Botschafters der Realität entsprechen, hat die Gesellschaft Schweizerisch-Tibetische Freundschaft (GSTF) bereits überzeugend dargelegt. Dies zu tun, wäre – mit Verlaub – Ihre Aufgabe gewesen, liebe Weltwoche.
Sie versäumen es jedoch, Ihrer journalistischen Sorgfaltspflicht nachzukommen, lassen Unwahrheiten und Beschönigungen ohne Einordnung stehen und hüllen über brutale Menschenrechtsverletzungen den Mantel des Schweigens. Ihre Rechtfertigung: „Der offizielle chinesische Standpunkt fehlt oft.“ Nun, der offizielle chinesische Standpunkt spiegelt eben selten die Wahrheit wider, wie auch der UN-Menschenrechtsrat erst kürzlich wieder einmal feststellte. Bei Ihnen wird die chinesische Perspektive allerdings nicht hinterfragt.
Leider wird diese Verirrung kein einmaliger Ausrutscher bleiben. Denn zu allem Überfluss kündigen Sie elf weitere monatliche Kolumnen des gleichen Autors an. Wie diese aussehen, können wir uns schon denken – vermutlich erscheinen sie unter Titeln wie „Harmonie und Eintracht für die Uiguren“, „Mehr Freiheit dank Sozialkredit-System“ oder „Willkürliche Hinrichtungen – Hoffnung für Organsuchende“.
Falls Sie wirklich an einer ausgewogenen Darstellung interessiert sind, stehen wir von der Tibet Initiative Deutschland gerne für eine Einordnung bereit. Falls nicht, fordern wir: Bieten Sie der chinesischen Regierung kein Forum für ihre Propaganda und stoppen Sie die monatlichen Kolumnen mit Geng Wenbing!
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Tibet Initiative Deutschland
Last modified: 11. April 2019